EDUCULT im Gespräch mit Orwa Saleh
Orwa Saleh ist Oud Spieler und widmet sich in der Wiener Musikszene vor allem (contemporary) Jazz. Er hat die letzte Ausstellung „Die Wiener Jammerei“ des Salon der Kulturen von EDUCULT musikalisch begleitet. Der Musiker wurde in Syrien geboren, wo er unter anderem am Higher Institute of Music studierte, sowie am Nationalkonservatorium im Libanon. 2012 zog er in Österreich erst nach Linz, später dann nach Wien.
Diesmal ist das Gespräch zum ersten Mal als Podcast zu hören.
Zusätzlich ist auch eine schriftliche Version davon zur Verfügung:
EDUCULT: Orwa, du warst ja schon mal bei EDUCULT. Du bist im letzten Salon der Kulturen aufgetreten: Für alle die Dich nicht kennen, magst du dich vielleicht kurz vorstellen?
Ich bin Orwa, das 2. oder 3. Mal bei euch. Ich bin ein Oudspieler und Komponist aus Syrien. In Wien wohne ich seit ein paar Jahren aber in Österreich seit 2012. Ich habe Musik studiert und jetzt bin ich mehr mit der Contemporary Musikszene beschäftigt.
Wie bist du zur Musik gekommen?
Seit ich ein Kind war. Meine Mama hat entschieden, dass jedes ihrer Kinder ein Instrument lernen soll. Die Mädchen – ich habe 2 Schwestern – haben klassische Instrumente gelernt, Piano und Gitarre, aber die Buben sollten Orientalische Instrumente lernen. Dann bin ich bei Oud gelandet. Ich war 8 Jahre alt und mochte das Instrument überhaupt nicht. Trotzdem bin ich bei dem Instrument geblieben.
Wenn man als Kind beginnt, Musik zu machen, denke ich an Gitarre und Klavier. Oud war nicht deine Entscheidung, sondern die deiner Mutter. Hast du es cool gefunden?
Oud ist in Syrien total bekannt. Es ist ein traditionelles Instrument in allen Städten, jede Familie hat einen Oudspieler. Es ist das Instrument des Orients. Als ich ein Kind war, mochte ich es nicht. Ich wollte E-Gitarre spielen, ein cooler Rocker sein wie im TV. Trotzdem habe ich weitergemacht, gespielt und geübt. Jetzt finde ich, dass es eine tolle Entscheidung meiner Mutter war. Aber froh war ich nicht.
Wie ist dein künstlerischer Weg gewesen? Hast du eine Ausbildung in Musik gemacht?
Zuerst habe ich – es ist wie ein Konservatorium, eine Musikschule für Jugendliche. Da habe ich meinen Abschluss absolviert. Dann bin ich in den Libanon gezogen, dort wieder im Konservatorium studiert und dann nochmal den Masterabschluss in Damaskus im High Institute of Music gemacht. Ich habe schon auch klassische arabische Musik gelernt mit Oud als Hauptinstrument.
Wie erlebst du die Musik und Kulturszene in Wien?
Ich mag die Kulturszene in Wien. Ich bin es schon gewohnt. Wir haben bei einem Festival gespielt im 4., bei einem Open-Air-Festival. Da waren wir viele Musiker und saßen in einem Park und haben auf einmal gecheckt wie viele Musiker von überall – jeder von uns kommt von irgendwo, einer aus dem Iran, einer aus den USA, einer aus Deutschland. Das war für mich die Szene in Wien. Wien lebt mit vielen Musikern, dass sie ursprünglich Wiener sind und auch vor den Migranten, dass sie da studieren oder da arbeiten. Die Mischung macht Wien ganz aktiv. Ich finde die Szene sehr cool. Wenn ich in Damaskus war, habe ich so viele Konzerte im Porgy&Bess auf YouTube geschaut und mir gedacht, dort will ich unbedingt hin oder in Wien ein Konzert anschauen. Jetzt bin ich da und spiele da. Das ist echt cool. Ich bin froh, dass ich ein Teil der kulturellen Szene in Wien sein darf.
Das heißt du fühlst dich auch wohl?
Teilweise schon. Es ist nicht immer einfach. Auch die österreichischen Musiker fühlen sich nicht total wohl. Die Musikszene ist Schwerarbeit. Man hat viel zu tun, man braucht viel Selbstmanagement fürs Freelancing und auch mit Covid, dem Lockdown, den Verschärfungen. Da haben viele Theater zugemacht. Da ist es schwer für einen Musiker, egal welcher Nationalität.
Du mochtest Wien schon bevor du hergezogen bist?
Es war nicht geplant nach Wien umzuziehen. Als ich ein Teenager war und mir Jazzmusik angeschaut habe und ich habe in der klassischen Musikausbildung viel über Österreich gelernt. Aber nie in meinen Träumen hätte ich gedacht, dass ich in Österreich leben werde. Ich war selber überrascht, dass ich da lebe.
Wie lange lebst und arbeitest du in Wien?
In Wien seit 2016, in Österreich seit 2012. Die ersten 4 Jahre habe ich in Linz gelebt. Deshalb denke ich, dass das teilweise meine Heimatstadt ist. Seit 2016 bin ich in Wien.
Was ist der Unterschied zwischen Linz und Wien?
Linz hat mir sehr gutgetan. Ich kam 2012 und habe ein für die Szene hier nicht bekanntes Instrument. Linz ist klein, die Szene ist klein, man erreicht also viele Leute schneller. Ich habe angefangen in Kulturbars und Coffee Shops zu spielen mit einem Kollegen von mir, einem Bassspieler aus Istanbul. Wir haben dort angefangen zu spielen und nach 2 Jahren haben wir den Integrationspreis der Stadt Linz gewonnen. Wir haben unser erstes Album 2014 gemacht. 2016 auch in Linz mein 2. Album. Wir haben die Bruckneruni dort, die Kunst Uni dort, die Szene in Linz ist klein, aber doch sehr aktiv. Man erreicht schneller etwas, hat Connections. Meine Erfahrung in Linz war sehr wichtig für mich. Ich habe mich dort gegründet und dann wieder nach Wien, wo man auf einer größeren Ebene spielen kann.
Das Sprichwort „in Linz beginnts“ stimmt.
Das habe ich sehr oft gehört. Das stimmt total bei mir.
Warum gerade Wien?
Ich komme aus einer Großstadt. Das ist eine schwierige Frage. Als ich angefangen habe in Wien zu spielen, war ich noch in Linz. Dann war ich öfter da. Die Szene in Wien ist mehr Welcoming. Es ist unterschiedlich. Es gibt viele Möglichkeiten zum Lernen. Ich habe hier in Wien so tolle Musiker getroffen, wo ich viele Sachen gelernt habe und meine eigenen Skills – das war die Möglichkeit in Wien mehr offen als in Linz. Die Stadt ist echt hübsch. Trotz der schlechten Laune wegen des Wetters und vor allem ist die Stadt eine sehr schöne Stadt. Ich fühle mich immer nostalgisch. Aber das mag ich als Mann aus einem arabischen Land. Eine Poetic Nostalgy. Wien ist full of strangers. Man ist dann one of those strangers. Man fühlt sich zu Hause zwischen den Leuten, die kein zu Hause haben.
Wien und Poesie – deine Texte beschreibst du als Geschichten und Gedichte. Worum geht es in deiner Musik und welche Themen sind dir wichtig?
Meine Musik geht um mich, meinen Alltag, meine Kämpfe, Struggles, Gedanken und Gefühle. Die Musik, die ich schreibe, dichte, verwende, reflektiert immer, wie ich mich fühle. Das ändert sich immer. Am Anfang als ich nach Österreich gekommen bin und mein Land verlassen musste, war es so eine schwere Trennung für mich. Deshalb ist das in meiner Musik für ein paar Jahre immer über das Thema. Wenn ich neue Struggles, eine neue Szene habe, sehe ich neue Sachen und reflektiere die auch. Es ändert sich deshalb. Jedes Album hat etwas. Das 1. war eine echte Trennung von Damaskus. Jede Nummer war entweder, dass ich sie dort geschrieben habe oder da geschrieben – aber trotzdem, wenn ich meine Augen zumache, dann sehe ich die Straßen dort. Das 2. Album war der Anfang meiner Erfahrung hier, ein bisschen mehr offen, aber noch nicht die Trennung von Damaskus, die ganze Geschichte der Flucht hatte ich noch nicht ganz verarbeitet. Das war für mich schwer. Im 3. Album habe ich als Mensch akzeptiert, dass ich da bin, hier wohne, in Wien und in Österreich. Ich habe reflektiert, dass ich mich auch geändert habe. Das 3. Album war nicht über Damaskus oder Wien, sondern über die Strecke dazwischen, was ich erlebt habe, der Mann, der in Damaskus gelebt hat und der Mann, der da lebt. Ich glaube jedes Mal, wenn wir weiterleben, gibt es immer neue Struggles. Es gibt immer Kämpfe, wo man kämpfen muss, für die Rechte anderer Leute, die nicht über ihre Rechte reden können.
Auf welchen Sprachen schreibst du am Liebsten?
Auf dem kommenden Album ist das erste Lied, bei dem ich die Lyrics geschrieben habe. Normalerweise nehme ich Gedichte und die sind immer auf Arabisch. Ich schreibe E-Mails auf Englisch, spreche jetzt Deutsch aber kann nur Arabisch leben. Meine Gefühle kommen auf Arabisch.
Es sagen viele Leute, dass Arabisch so blumig ist, wenn es schön ist, ist es sehr schön und das kann man ganz schwer übersetzen.
Jede Sprache hat nicht nur die Wörter und wie man sie verbinden kann. Jede Sprache hat auch so viel Hintergrund zwischen den Zeilen. Ich glaube viele Sachen auf Deutsch kann man nicht ohne das genaue Feeling auf Arabisch übersetzen. Wenn wir in jeder Sprache sprechen, um unsere Emotionen zu erklären, aber das war es. Wir reden nicht die echte Wahrheit der Emotionen, wir werden nur probieren zu erklären. Auch auf Arabisch ist es nicht genug oder die genaue Übersetzung, was man fühlt. Die Sprache ist sehr reich, für meine Ohren sehr hübsch und es ist blumig, aber es ist auch so detailliert, wo man für jedes Gefühl ein stärkeres Wort hat. Ich bin nicht so der huge Fan von Übersetzung. Ich habe mal eine Frage bekommen, warum übersetzt du nicht deine Lieder oder deine Musik auf Deutsch. Nein. Man kann Gedichte übersetzen, aber Musik, Gefühle und so sind auch ok, wie sie sind. Da müssen wir nichts ändern. Ich muss nicht meine Sachen für neue Communities übersetzen, das sind einfach meine Emotionen.
Die Themen ändern sich von Album zu Album?
Ja, von Album zu Album und von Tag zu Tag. Vor Covid habe ich immer das Gefühl gehabt, dass wir die einzigen Leute sind, die diese außergewöhnlichen Emotionen erleben müssen. Mit Covid war es für alle außergewöhnlich. Wir haben jeden Tag etwas Neues erlebt, neue Emotionen, neue Gedanken und das reflektiert auf die Musik.
Wie reagieren Leute auf dich, die Oud kennen – z.B. mit arabischem Background und wie reagieren Menschen in Österreich, die noch nie Oud gehört haben? Gibt es da Unterschiede?
Das muss man die Leute fragen. Ich spiele nicht total klassisch Oud. Deshalb kann es kritisch sein zwischen dem arabischen Publikum. Mein Publikum ist tatsächlich eh die aus meiner Generation und aus jüngerer Generation, die mehr mit Rock und verschiedener Musik zu tun haben. Die Leute denken immer, es ist ein Oud-Konzert und es sollte ein klassisches Oud sein. Die denken, es ist ein klassisches Oud und die sind dann immer überrascht. Es passiert auch, dass Leute Oud nicht kennen, sie googeln es und denken es ist klassische orientalische Musik und es kommt „Weltmusik“, welche Terms whatever. Dann kommen sie und es ist ein echtes Jazzkonzert. Es ist nur das Instrument. Deshalb kriege ich immer gemischtes Feedback. Entweder sehr cool oder was machst du? Ich habe viel gekämpft gegen mich. Ich dachte, ich muss klassisch Oud lernen. Wenn ich zu Hause bin, höre ich Rock und Jazz, hauptsächlich Rock. Ich habe es so oft probiert bis zu meinem vorletzten Album, wie ich gedacht habe, wie ein Oudspieler sein sollte. Es ist irgendwas gewesen, was mich aufgehalten hat. Ich habe mit einem Musiker, Christoph Czech gesprochen, er ist Pianospieler und Professor auf der Bruckner Uni. Ich habe mit ihm gearbeitet und wir haben oft darüber gesprochen, was das Instrument macht und was man mit seinem Instrument machen kann, wie viele Möglichkeiten. Ich habe auch mit verschiedenen Musikern gearbeitet, mit mehreren Projekten, wo ich auf der Suche nach meiner Virtualität war. Dort habe ich aufgehört zu Probieren und einfach angefangen Musik zu spielen. Dann kam Musik, wo man versucht klassisch Oud zu spielen. Dann bin ich mehr at Peace mit meiner Musik. Dann finde ich auch, dass meine Karriere besser gewesen ist. Es hat auch mit dem Ganzen zu tun.
Wer ist dein*e Lieblingskünstler*in oder dein Vorbild? Wahrscheinlich jemand, der im Jazz ist.
Genau.
Eine arabische Person?
Nein, aber auch. Die Leute beeinflussen einen. Die Leute, die ich gehört habe aus Tunesien Anouar Brahem, seit ich 14 war habe ich mir zum Geburtstag ein Konzert von ihm gewünscht, bis ich 25 war. Egal wo er ist, ich werde immer hingehen. Es ist jetzt nicht mehr mein Stil, aber er wird immer ein großartiger Musiker für Oud sein. Dhafer Youssef hat mir so viel Einfluss am Anfang gegeben, den Mut, etwas anderes zu tun. Auch mein Professor aus Aserbaidschan. Jeder von denen. Es gibt viele. Wenn ich zu Hause bin, höre ich was anderes.
Was wäre das für Musik?
Oh. Das wäre hauptsächlich – es kann Rockmusik sein oder eine progressive Rockband. Ich bin jetzt offener für die derzeitige Alternative Popmusik. Nicht die Popmusik sondern alternative Popmusik von Corey Henry zu Anderson Park. All of them.
Gibt es Unterschiede, wie du hier in Wien arbeitest und wie du arbeiten würdest, wenn du an einem anderen Wohnort wärst oder deinem Geburtsort?
Ich glaube, Migration an sich ist eine ganz außergewöhnliche Erfahrung, die nicht nur die Arbeit betrifft, sondern auch die Persönlichkeit von jedem Menschen. Das ist eine Erfahrung, die eine riesige Rolle spielt. Auch musikalisch, wie gesagt, die Leute, die ich da kennen gelernt habe, die Bühnen, auf denen ich spielen durfte. Jede von denen hat etwas extra gegeben, einer hat mich mehr mutig gemacht und ich habe mich mehr getraut, weil es eine Ehre war für mich. Ein paar Leute haben mir echt viel gezeigt und reflektiert, so dass ich von denen gelernt habe. Ein paar Erfahrungen haben mich auch stärker gemacht, wo ich Ungerechtigkeit nicht akzeptieren kann. Jede Stadt hat einen eigenen Charakter. Das ist ganz wichtig. Beirut hat einen ganz anderes Charakter, Damaskus einen anderen und hier auch. Der Charakter der Stadt hat einen Effekt auf die Musiker, die dort leben. Die Erfahrungen, die man in einer Stadt macht, haben auch einen Effekt. Jeden Schritt, den ich hier gemacht habe, ist ein Teil meines Lebens und nicht ein Teil der Stadt. Das ist eine andere Erfahrung und bedeutet auch andere Musik. Ich bin stolz, weil ich glaube, wir müssen auf einer humanen Ebene denken. Wir sind sehr unterschiedlich. Wir kommen aus einer Stadt und wir kommen nicht miteinander klar. Die Leute sind so unterschiedlich. Eine Uniform zu haben wie die Integration vorgestellt war, damals als Politik – eine Uniform zu haben, macht keinen Sinn. Wir müssen einfach lernen, dass wir alle gemeinsam leben, egal wo wir sind, egal welche Farbe, Sprache, Religion, welches Getränk, was man isst und einfach ein gemeinsames Gesetz zu respektieren. Das Gesetz müssen alle respektieren. Aber sonst ist Migration ein weiter Begriff, der auf sehr komische Arten verwendet werden kann. Auch in Wien habe ich so viele komische Erfahrungen gemacht. Ich wurde Ausländer genannt, nachdem ich den Integrationspreis bekommen habe. Die Behörden in Wien wollten mich auch untersuchen, ob ich integriert bin, obwohl am Zettel Integrationspreis steht. Ich habe 2 Jahre ohne Visum in Wien leben dürfen. Ich bin kein Flüchtling, ich habe die normale Aufenthaltskarte. Gleichzeitig hat mich die österreichische Botschaft im Ausland eingeladen zum Spielen. Es ist ein Paradox. Einerseits ein Künstler und ein Arbeiter, der tut und hat das Gefühl, ich gehöre zum Staat und andererseits kommt jemand und sagt, dein Leben hier und alles was du hier gebaut hast, ist wertlos. Das war für mich eine ganz starke Erfahrung, wo ich echt in den Zeitungen Wiener Oudspieler genannt wurde und mit Rassismus auch kämpfen musste.
Wenn Leute so etwas sagen, würde ich immer gern fragen: Wann ist man denn integriert? Was muss ich dafür machen?
Was ist Integration allgemein? Ich glaube nicht an Integration. Was bedeutet das? Dass man einen Spritzer trinkt? Ich verstehe es manchmal nicht. Es ist ein sehr weites Wort. Das kann sein, dass man den Regeln des Landes gehorcht oder dass man sein Leben ändern muss und alles an sich selbst. Ich bin nicht pro Integration, wie es die Integration als politisches Tool war. Ich war immer dagegen. Es war eine Phase, wo Covid kam und die Leute sind mit etwas anderem beschäftigt. Davor war Integration überall. Es ist nicht klar, nicht effektiv. Ich verstehe nicht was Integration ist, auch mit dem Integrationspreis.
Ich finde das schön, was du vorher gesagt hast: Wenn man in einer Stadt lebt dann gehört ein Teil der Stadt einem selbst. Dann ist das die Integration von einer Stadt in einem selbst.
Genau. Wenn du dort wohnst, allen Regeln gehorchst und deinen Teil für die Community machst. Was braucht man mehr? Die Sprache? Ich spreche die Sprache, ich bin trotzdem ein Ausländer. Es ist echt ein Paradox. Wir stellen uns vor, dass wir eine offene, integrierte Stadt sind, mit vielen Festivals über andere Kulturen aber geh mal in eine Bar in der Nacht, als Leute aus Afrika, ihr dürft nicht reinkommen. Egal ob drinnen eine afrikanische Band spielt. Das ist Wien. Wir reden über Black Lives Matter, ganz Wien war draußen und gleichzeitig wollen sie 2 Kinder deportieren. Das ist paradox in Wien. Manchmal kommt man damit klar, manchmal nicht.
Würdest du sagen, dass Rassismus in deiner Musik eine Rolle spielt?
Ja, der Kampf gegen Rassismus. Mir ist das mit meinem Visum passiert und es passiert vielen anderen Leuten. Aber ich war lauter, weil ich es gewohnt bin, in der Musikszene zu sein, habe viele Freunde und habe viel Unterstützung. Ich bin mit einem Anwalt hingegangen. Aber viele Leute haben eigentlich nicht die Möglichkeit zurückzukämpfen. Die haben viele Rechte verloren. Die kriegen echt Ärger. Der Rassismus spielt eine Rolle. Wir reden über Weltmusik: Weiße Europäer reden darüber, wir haben die Musik und dann haben wir die Weltmusik. Integration, Weltmusik, da gibt es Rassismus. Es gibt Leute, die das unterstützen und welche, die nicht. In Kunst und Musik gibt es das.
Eigentlich sind wir wieder bei der vorherigen Frage angelangt: Wenn du Musik in deinem Herkunftsland machen würdest, wäre Rassismus kein Thema.
Aber andere Sachen wären ein Thema. Wir müssen wieder denken, dass die Welt echt riesig ist. Wenn wir in einem kleinen Raum leben und man immer an die Wände schaut, dann denkt man, man muss die mal ausmalen. Man denkt, ich bin der Einzige, der so eine schlimme Situation erleben muss. Aber es braucht nur, dass man die Türe zum 2. Zimmer öffnet, damit man es checkt. Bei uns gibt es keinen Rassismus, aber so viele andere Sachen. Es gibt trotzdem Rassismus bei uns. Am Anfang nach dem Krieg im Irak kamen so viele Flüchtlinge aus dem Irak. Ich schäme mich, weil ich nichts getan habe, was ich hätte tun sollen. Ich habe es nicht gecheckt. Man hat in den Nachrichten gesehen 100 irakische Flüchtlinge, ok, switch the channel. Und dann war ich auf einmal eine der Nummern, die in den Nachrichten sind. Dann checkt man, dass Human Rights etwas ist, wofür man kämpfen muss. Es gibt bei uns Rassismus und auch andere Probleme, andere Themen, andere Kämpfe. Wir müssen immer probieren – egal wo wir wohnen – dass unser Wohnraum besser gemacht wird, eine bessere Zukunft für die Leute.
Gibt es ein Erlebnis während du einen Auftritt hattest, wo du besonders stolz warst oder lachen musstest über irgendwas?
Am Schlimmsten ist, dass mein Leben geteilt ist in vor und nach dem Krieg. Das ist ein Selbstschutzmechanismus. Man denkt, man hat nicht so viele Erinnerungen von dort aber eine Geschichte: ich war in Damaskus an der Uni und wir wurden nach China geschickt um dort zu spielen. Ich war das 1. Mal in meinem Leben in China in einer kleinen Stadt und dort haben wir auf der Bühne gespielt. Einer hat gefragt, woher ich komme, ich habe gesagt aus Syrien und er meinte „is that close to New York?“. Wir sind auch Asiaten und sie haben es mir nicht geglaubt. Als ich jünger war und viel gereist bin, das hat mein Spektrum erweitert. Ich war noch echt klein. Hier in Wien bin ich stolz auf, ich habe Backstage im Porgy geweint, weil ich nie gedacht habe, dass ich in meinem Leben im Porgy spielen werde. Mit meinem Ensemble, wenn wir rockige Sachen probiert haben. Mein Geburtstagskonzert bleibt immer in meinem Kopf. Ich hatte vor Covid jedes Jahr ein Geburtstagskonzert, wo ich meine Freunde einlade. Das ist eine Erfahrung, die ich mag.
Was würdest du Menschen sagen, die Künstler*innen, Musiker*innen werden wollen? Was hätte man dir sagen sollen als du begonnen hast?
Ich würde nichts empfehlen. Leb weiter und alles, was man erlebt, ist genau was man auf der Bühne spielt. In Frieden zu sein. Ich glaube, Zweifel sind ganz wichtig. Das ist das Einzige, was einen davon abhält unrealistisch zu sein. Man sollte immer realistisch sein aber keep on dreaming. Always doublecheck, was habe ich gesagt, gespielt, gemacht. Jeder von uns sollte seine eigenen Fähigkeiten oder Erfahrungen machen. Die Leute sollen studieren usw. aber am Ende ist die Musik die Reflektion dessen, was in den Menschen sind. Deshalb sollen sie leben.
Ist es notwendig, dass Menschen, die beruflich Musik machen wollen, eine Ausbildung machen?
Es kommt darauf an, welche Musik man machen will. Aber ja, schon, sicher. Es ist eine Sprache, ein Tool. Wenn man Popmusik oder singer/songwriter ist. Musik ist wie jedes Produkt. Jedes Produkt hat Kunden. Für die Musik, die ich mache, sicher. Da sollte man eine Ausbildung machen. Wenn ich 1-2 Wochen nicht übe oder spiele, bin ich einfach schlechter geworden. Man muss immer üben, immer spielen. Je mehr Erfahrungen, je mehr Sachen man macht, desto besser ist es auf der Bühne. This is a really wide range. Some people don’t need it and are still able to present their music. But in other fields of music the standards are so high.
Gibt es ein Lied, das du am Liebsten spielst?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Es ist unterschiedlich, was ich fühle. Wenn ich traurig oder emotional bin, würde ich nie meine Musik hören. Das ist für mich urpeinlich, wenn ich zu Hause bin, Freunde kommen und jemand ist dabei und sagt, he, spiel deine Musik – geh bitte!
Worauf freust du dich am Meisten bei den Auftritten?
Auf die Angst vor den Auftritten. Ich bin es schon gewohnt. Seit ich 8, 9 Jahre alt bin, hatte ich immer das gleiche Gefühl. Aber ich freue mich immer nach dem 1. Lied, wo ich echt atmen kann. Die Angst davor, es stresst mich ur – aber ich mag es irgendwie.
Wie kann ich mir das vorstellen? Du bist Backstage, nervös und wie geht dann die Überwindung, dass du auf die Bühne gehst?
Wir sind Backstage, hatten Soundchecks, rede mit den Guys und dann gehe ich raus. Dann komme ich wieder. Es gibt einen Moment, wo ich gestresst bin, und dann komme ich auf die Bühne, setze mich und mache die Augen zu. Dann auf einmal fühle ich mich, mein Instrument. Normalerweise, die letzten paar Jahre, Basma eine Kollegin von mir, wir haben immer angefangen als Duo und dann kam die Band. Ich denke immer, wir sind zu zweit, ich denke immer über gar nichts nach und es funktioniert immer. Ich denke immer, dass ich alleine bin. Was mich immer auf der Bühne stresst ist es auf Deutsch zu reden. Ich habe immer auf Englisch geredet. Es ist schon stressig auf der Bühne zu sein und stell dir vor, dann muss man auch noch Deutsch reden. Ich weiß nicht mehr, was ich das erste Mal geredet habe. Ich erzähle jetzt immer den gleichen Joke: ich habe 4 Jahre in Linz gewohnt und deshalb versteht ihr mein Deutsch jetzt nicht. Ich habe vor 8 Monaten angefangen auf Deutsch zu reden und es funktioniert teilweise. Manchmal springe ich wieder auf Englisch. Ich spiele auch in Österreich, auch im Ausland, aber viel in Österreich, viel in Dörfern, viel für Leute, die eigentlich gar kein Englisch reden können. Vor ein paar Jahren, als ich kein Deutsch geredet habe, war es eh ok. Aber jetzt ist es nicht nur, dass ich es von mir verlange, dass ich Deutsch reden muss. Ich selbst will die alten Damen in einem Dort erreichen. Es ist ein Bedürfnis von mir, es wurde nie verlangt auf Deutsch zu reden. Aber nach ein paar Jahren, wo ich eigentlich ein Heimatgefühl habe, habe ich das Bedürfnis. Ich will, dass die mich verstehen. Deshalb habe ich den Mut gehabt, es zu probieren. Langsam wird es besser.
Hast du physische CDs oder wo kann man deine Sachen hören?
Es sind bis jetzt 4 Alben. Und dann kommen noch 2. Die Sachen sind alle auf YouTube Music und es gibt CDs. Jedes Album hat einen anderen Verlag und andere Konditionen. Man kann sie auf meiner Homepage kaufen, Amazon Music und Apple Music.
Bist du auf Spotify?
Ich habe nur ein Album auf Spotify durch einen Online-Verlag. Spotify zahlt dem Musiker so wenig, das ist furchtbar. Mit Streaming Plattformen bin ich nicht so gut.
Letzte Frage: Was sind deine Pläne und Wünsche für die Zukunft?
2022 kommen 2 neue Alben heraus. Eines mit meinem Ensemble, das heißt „Second time“. Ich hatte letztes Jahr die Chance während Covid viele Sachen zu reconsidered. Mit Unterstützung von meinen Kollegen, meiner Band – Sebastian Simsa Schlagzeug, Mahan Mirab Gitarre, Judith Ferstl Doublebase und Basma Jabr Vocals. Wir haben eine 2nd revision von allem, was ich früher gemacht habe. Ich bin sehr happy und aufgeregt. Das kommt hoffentlich im Mai 2022. Vor einem Monat bin ich auch mit Aufnahmen Music in Touch Trio mit genialen Meistern, Christoph Czech pianist, Andi Schreiber Geigespieler. Die sind beide echt open-minded im contemporary jazz. Das ist eine ganz neue Erfahrung für mich. Das ist die extra mile, die ich nie gedacht habe, dass ich sie machen kann. Das kommt hoffentlich auch 2022. Ich bin für jeden von uns ein bisschen worried über die Zukunft, Covid war eine sehr schwere Erfahrung. I lost family to Covid. Mein Onkel ist an Covid gestorben. Ich wünsche, dass wir es gemeinsam raus schaffen und es uns bewusst machen, dass der Kampf mit dem Virus zum Ende kommt. Ich glaube nicht, dass wir ein ganz normales Leben haben werden. Ich werde nie mehr ohne Maske in der U-Bahn fahren. Wir haben uns schon geändert. Aber ich hoffe, dass wir teilweise klarer mit den Kämpfen sind und ein besseres Resultat haben können. Sonst freue ich mich schon auf 2022, die neuen Alben und den Sommer.
Danke für das Gespräch.
Danke, was ihr macht ist ganz wichtig. Ich bin das 3. Mal da und habe mich immer wohl gefühlt.
LETZTE BEITRÄGE
- EDUCULT im Gespräch mit Karin Cheng
- EDUCULT im Gespräch mit Orwa Saleh
- EDUCULT im Gespräch mit Yun Wang
- EDUCULT im Gespräch mit Reem Jarbou
- EDUCULT im Gespräch mit Sami Ajouri
- EDUCULT im Gespräch mit Phoebe Violet
- EDUCULT im Gespräch mit Bekim Morina
- EDUCULT im Gespräch mit Agnieszka und Maciej Salamon
- EDUCULT im Gespräch mit Eleni Palles
- EDUCULT im Gespräch mit Reynier Diaz