EDUCULT im Gespräch mit Sami Ajouri
Der Künstler Sami Ajouri wurde 1980 in Syrien geboren, wo er den Studiengang Bildhauerei an der Universität für schöne Künste in Damaskus abgeschlossen hat. Im Jahr 2006 zog er nach Wien und beendete 2011 das Studium Grafik und Druckgrafische Techniken an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Seine Gemälde wurden in mehreren Städten in Ost- und Westeuropa sowie im Libanon und in Damaskus ausgestellt. Von Dezember 2019 bis Oktober 2020 stellte Sami Ajouri einige seiner Werke bei EDUCULT im Rahmen der Salon der Kulturen Veranstaltung „Auflösung_Dissolution“ aus.
EDUCULT: Lieber Sami Ajouri, wie deiner Biografie zu entnehmen, bist du 2006 nach Österreich gekommen.
Sami Ajouri: Ende 2005.
Was war deine Motivation aufzubrechen und speziell nach Wien zu kommen?
Es war schon ein paar Jahre davor, dass ich angefangen habe über das Emigrieren nachzudenken. Auf der einen Seite ist es ein Wegrennen vom Militärdienst, weil es sehr unangenehm in Syrien ist. Damals bestanden die Unruhen schon zwei Jahre lang. Als ich auf der Kunstuni in Damaskus war, habe ich angefangen darüber nachzudenken, wohin. Das war das Thema von den meisten Studenten, wohin und wann. Vor allem bei den Männern, da sie Militärdienst leisten müssen. Dann habe ich Französisch gelernt und es sofort wieder aufgehört [lacht]. Ich habe drei Onkel in Deutschland, die seit den 70er Jahren dort sind. Ich hatte immer einen Bezug zu Deutschland, weil meine Cousinen nach Syrien zu Besuch gekommen sind. Ich habe „1,2,3“ gelernt als ich klein war, „Monster“, „Fleisch“, „Tomaten“ und so. Ich hatte ein bisschen ein Gefühl für die Sprache. Dann habe ich Gas gegeben und angefangen Deutsch zu lernen mit dem Ziel nach Deutschland umzuziehen und weiter Kurse zu machen. Mein Ziel war Berlin und Tony Cragg, der Bildhauer. Aber Deutschland wollte mich gar nicht. Ich habe aus irgendeinem Grund kein Visum bekommen – wohl aus finanziellen Gründen. Ich habe deutsche Kunststudenten in Damaskus kennengelernt, die in Wien an der Angewandten studiert haben. Sie haben erzählt, dass Wien super ist, die Kunstakademie ist sehr alt, etabliert und gut und dort spricht man auch Deutsch. Ich habe einen Visumantrag gestellt und habe ein Ja bekommen von der österreichischen Botschaft in Damaskus.
Hier hat es also gleich funktioniert?
Ja. Dann bin ich in Wien gelandet. Ich habe immer geschaut, ob ich nach Berlin umziehen kann, aber es war auch in Wien sehr interessant und spannend. Daher bin ich geblieben.
Als du in Wien warst, hast du gleich bemerkt, dass es ein gewisses Flair hat, bei dem du dir vorstellen könntest zu bleiben?
Das wäre ein bisschen übertrieben. Ich war nicht ganz entschlossen. Mir ist es ein bisschen zu snobistisch vorgekommen, v.a. im ersten Bezirk. Ich dachte, dort wohnt niemand in diesen „Hollywood-Disney Häusern“. Ich konnte es nicht glauben, ich dachte es sind nur Fassaden, die hinten Holzstützen haben wie in Hollywood. Ich habe dahinter geschaut wie eine Katze vor dem Spiegel. Am Anfang war es ein bisschen strange. Ich war fasziniert von diesem Bild von Berlin als eine tapfere Stadt. Hier ist Sachertorte und Walzer.
Man kommt bereits mit Bildern wohin, man hat Bilder bereits im Kopf. Da hattest du zuerst Sachertorte und Klassische Musik im Kopf?
Das war der erste Eindruck. Ich bin bei Gunter Damisch aufgenommen worden. Seine Klasse war so gut. Es hat alles sofort geklappt, sehr bemüht. Das ist auch Wien, dass es einfach funktioniert. Ich habe ein Stipendium bekommen, ganz nette Leute kennengelernt und habe Wochenend-Jobs gefunden. Ich bin mit 1500€ in der Tasche gekommen. Ich wusste nicht, wie es weiter geht. Ein bisschen familiäre Unterstützung wäre möglich, aber die sind alle am Limit. Es hat gleich funktioniert mit Jobs, ein Jahr später ein Stipendium vom Afro-Asiatischen Institut. Dann bin ich dageblieben und mit der Zeit habe ich eine Liebe zu Wien entwickelt.
Diese Liebe durfte anscheinend Schritt für Schritt wachsen. Du bist nicht auf viele Widerstände gestoßen, sondern hast an mehreren Ecken Support bekommen?
Ich war sehr fasziniert von der Akademie, vor allem von dem ersten Geschoss, im Mezzanin, wo Theorie gelehrt wird. Das habe ich in Damaskus vermisst. In Syrien haben wir viel Handwerk gelernt. Es war eine traditionelle Kunstschule. Ich habe Bildhauerei studiert. Abguss, Ton, Polyester – aber ich hatte einen Durst nach mehr und wollte Kunstgeschichte, -theorie, -kritik und -philosophie kennenlernen. In der Akademie war das sofort zugänglich, weil ganz viel auf Englisch gelehrt wurde. Ich war nach 6 Monaten mit meinem Deutsch ohne Grammatik, als ich langsam einen Satz aufbauen konnte, in einer Vorlesung von Peter Sloterdijk. Ich habe damals etwa 20 Prozent verstanden, aber es war für mich eine Freude, ein Genuss in dieser Atmosphäre zu sein. Das hat mir voll Spaß gemacht. Ich habe meine handwerklichen Geschichten mitgebracht, meine Skills. Ich habe nichts mehr von der Akademie verlangt oder gebraucht, um das zu lernen, da ich bereits gut unterwegs war. Am meisten habe ich das freie Denken genossen und mitgenommen.
Wie hast du in Syrien die Kunstwelt und das Vermarkten der Kunst erlebt? Wie kann man sich das im Syrien von damals vorstellen im Vergleich zu dem, was du hier kennengelernt hast? Konnte man in Syrien als Künstler gut leben?
Ich verstehe dies als zwei Fragen. Kunst allgemein ist entweder im kitschigen Bereich, dekorativ – das ist auch hier so. Die andere Seite ist die brave, regierungsschleimende Kunst.
Was kann man sich darunter vorstellen?
Ich war drei Jahre lang in der Bildhauereiklasse. Das höchste Ziel eines Bildhauers in Syrien war es eine Skulptur vom Präsidenten zu machen. Der Professor hat uns gesagt, dass man daran arbeitet, es zu schaffen, so einen Auftrag zu bekommen. Da steckt viel Kohle dahinter, dass man einen Assad stehend mit dem Arm in die Luft gestreckt, der die Menschen grüßt, oder seinen Sohn oder seinen zweiten Sohn – immer wieder Figuren aus der Geschichte, damit sie ihren Stolz vortragen. Zu 90 Prozent ist das Propaganda-Kunst.
Im Grunde geht es also darum, dass man das Handwerk so gut erlernt, dass der/die Künstler*in eine Person – in dem Fall Assad – möglichst naturgetreu darstellen kann? Es geht nicht darum, seine eigene Kreativität einzubringen, sondern vielmehr um eine geschönte Darstellung?
Null Kreativität. Kritik oder ein kritischer Blick hatten keinen Raum. Im Underground haben wir leise untereinander gelesen und gedacht, irgendwann hauen wir ab.
Wie war der Underground? Gab es regelmäßige Treffen?
Es ist klar, dass man in Vertrauenskreisen über Sachen reden kann. Es war nicht so organisiert oder ich war zumindest in keiner organisierten Gruppe. Aber es gab viele Gespräche. Die Muslimbrüder haben schon längst im Underground bestimmte Sachen geplant. Ich bin gegen Gewalt.
Im künstlerischen Sinne habt ihr eure Kreativität für euch ausgelebt? Habt ihr Skulpturen gemacht, die für euch einen Wert hatten?
Das Ziel der Diktatur war unter anderem die Unterdrückung der islamischen Gesellschaft. Die Diktatur ist eine sozialistische Diktatur. Sie ist Russland-nahe. Der Präsident Assad hat Zitate, wo er großartige Sachen sagt und danach liest man, dass das ursprünglich von Lenin oder Marx kommt. Die gesamte Struktur. Seit der Grundschule habe ich eine Uniform getragen – später eine Militäruniform. In der Mittelschule und vor der Matura. Die Militäruniform von 12 bis 18 Jahren. Das kann man sich vorstellen wie in Nordkorea. Die andere Hälfte der Gesellschaft waren die Muslimbrüder, die organisierte islamische Bewegung. Da war genau das Gegenteil, aber eher die Schattenseite wo sie unterdrückt ihre Religion erhalten wollten. Das hat sich wiederum auf die Gesellschaft reflektiert, dass da viel religiös, konservatives Denken dabei war. Auf der Kunstuni durften wir keine Akt-Zeichnungen machen. Wenn, waren die Models bekleidet. Das waren eigentlich nur das Gesicht und die Hände. Oft hatten wir als Akt-Zeichnung auch eine Frau mit Kopftuch.
Habt ihr die Frauen dann aber nackt gemalt?
Nein, mit der Bekleidung. Aber am Abend haben wir uns in den Ateliers getroffen und uns gegenseitig nackt gezeichnet. Das war unsere Revolution, unsere Reaktion darauf, dass wir das nicht machen durften. Wir mussten viel Anatomie aus den Büchern lernen. Darin waren nackte Bilder. Wir hatten sehr viele Professoren die in Osteuropa studierten, die gut im anatomischen Zeichnen waren. Als Bildhauer haben wir das lernen müssen. Wenn es darum geht, live etwas zu modellieren oder zu zeichnen, dann durften wir nur in einem geschlossenen Raum etwas machen, unter Freunden. Die Gesellschaft hat es auch nicht erlaubt.
Du hast in Syrien wahrscheinlich auch ausgestellt. Was hast du ausgestellt? Was hat man in einem Ausstellungsraum gezeigt?
Es gab eine Szene, die Inseln der Freiheit waren die europäischen Kulturzentren, z.B. das französische Kulturzentrum, das ein Teil des französischen Konsulats ist. Im Goethe Institut gibt es eine kleine Galerie. Das spanische Kulturzentrum oder der British Council. Diese drei, vier Organisationen waren die Plätze, wo man abstraktere, performativere Kunst gesehen hat und frei Denken konnte. Ich habe schon viele europäische zeitgenössische Künstler gekannt und als das Internet 2000/01 immer mehr verfügbar war, habe ich gesehen, was die Menschen da draußen machen.
Was hast du ausgestellt?
Damals habe ich abstrakte Stahlskulpturen gebaut. Das war akzeptiert und auch meine Diplomarbeit auf der Kunstuni in Damaskus. Es war monumental aber nicht figurativ monumental. Längliche Stahlskulpturen. Ich war von Richard Serra und Eduardo Chillida sehr beeinflusst, Bildhauern aus den USA und aus Spanien. Dann habe ich mehr expressive Malerei gemacht, mehr Duktus. Das habe ich auch ausgestellt. Die Kulturszene war damals sehr eng, sie war erst auf dem Weg, sich zu öffnen. 2000 hat der Sohn des damaligen Präsidenten übernommen, Baschar al-Assad. Er hatte versprochen, dass wir langsam mehr Freiheiten bekommen. Es war alles sehr eingeschränkt, es gab nur ein paar freie Zeitungen und Medien, die dann neu gegründet wurden. Die haben sich zwei, drei Jahre gehalten und dann hat die Regierung sie alle wieder verhaftet. Es war ein kurzes Aufmachen und den Menschen Freiheit geben und sobald die Menschen richtig zu arbeiten angefangen haben, war es schon wieder zu viel für diese Diktatur.
Die Konsequenzen waren massiv.
Ja, Gefängnis oder Exil. Deswegen war die Revolution später so blutig, da der Druck so lange zu spüren war. Damals waren auch die Anfänge von den Privatgalerien. Es gab ein paar etablierte Galerien in Damaskus, aber vielleicht 6 oder 7. Das kann man nicht damit vergleichen wie viele Galerien es in Wien gibt. Der neue Markt waren die Golf-Staaten, Dubai, Kuwait, Saudi-Arabien. Es gab zwei Projekte, wo kommerzielle Galerien angefangen haben abstrakte oder expressive Malerei und Skulpturen zu zeigen. Eher moderne Kunst, nicht post-modern aber sicher Picasso, Matisse – diese Stile und Formsprachen. Das war damals ganz in. Diese neue Bourgeoise, Syrer, die im Golf oder im Libanon leben, haben angefangen Preise zu erhöhen, Bilder zu kaufen. Da ist ein Mini Kunstmarkt da gewesen. Es gab syrische Maler, die für zig tausend Dollar ein Bild verkauft haben. Es gab einen Sprung in dem Markt. Dann kam die Revolution, die Wirtschaft ist unten, viel Gewalt. Die meisten Künstler sind draußen, 90%.
Du hast wahrscheinlich Kontakt mit ein paar befreundeten Künstler*innen von früher, die in der ganzen Welt verteilt sind.
Ja, viele. Aus unserer Klasse in Damaskus, meine Studienfreunde aus der damaligen Zeit, zwischen 1999 und 2004 – wir sind alle auf Facebook verbunden. Die sind in Frankreich, Deutschland, Schweden – überall verteilt. Ganz wenige sind in Syrien geblieben.
Machen wir einen großen Sprung nach Wien in die Jetztzeit. Wie geht es dir hier, jetzt im Moment?
Ich habe inzwischen eine Reise gemacht. Das ist ganz wichtig als Hintergrund für die Arbeiten, die ich hier bei EDUCULT ausgestellt habe. Ich habe 2011 hier in Wien diplomiert. Die Revolution in Syrien und das Land waren in dieser Zeit am Brennen. Davor war ich jedes Jahr für einen Monat in Syrien, bei den Eltern und Freunden. Doch in dieser Zeit konnte es nicht mehr aushalten hier vor dem Monitor zuzuschauen, was dort unten abgeht. Ich konnte jedoch auch nicht offiziell nach Damaskus fliegen, weil ich den Militärdienst nicht gemacht habe. Da war ich davon bedroht gleich eingezogen zu werden. Viele Aktivisten, die hier waren, haben angefangen Spenden zu sammeln und alte Ambulanzautos hinunterzuschicken. Das war am Anfang 2012. Ich war hier mit den Leuten und ein paar politischen Gruppen aktiv, inklusive den Muslimbrüdern. Wir haben sie getroffen und versucht eine Zusammenarbeit gegen das Assad-Regime zu organisieren. Es hat sich später herausgestellt, dass das ein riesiger Fehler war. Ich habe mich schließlich entschieden doch selbst in die Türkei zu fahren. Da kam ein Konvoi, mehrere Autos mit Medikamenten und so. Die sind in Richtung türkisch-syrische Grenze von Wien aus gefahren. Da bin ich mitgefahren. Wir waren in einem Flüchtlingslager mit 30.000 Menschen auf syrischen Boden, aber betreut von der türkischen Regierung und Armee, gelandet.
Bist du über die Grenze?
Wir sind zunächst an der Grenze gelandet. Es war ein Lager, wo es nicht ganz klar war, wo genau die Grenze verläuft. Krieg war auch und die Türkei wollte das gesamte Gebiet übernehmen. Das war eine gute Chance für die Türkei humanitäre Hilfe zu leisten und gleichzeitig mehr Einfluss auf das Gebiet zu haben. Dann bin ich eineinhalb Jahre geblieben. Ich habe mit humanitären Organisationen gearbeitet und sehr viel fotografiert. Nachher bin ich nach Istanbul gezogen. Insgesamt bin ich drei Jahre lang in der Türkei geblieben. 2015 bin ich wieder nach Wien zurückgekommen.
Hast du dort erst entschieden, dass du bleibst?
Ja. Es war alles überwältigend und überfordernd. Es ist eine Riesenkatastrophe. Es war ein Schock für mich. Wir waren naiv, dachten die Revolution ist schön, rosa und demokratisch. Aber sie war blutig und die Revolutionäre selbst waren nicht weniger gewalttätig, aggressiv und undemokratisch. Deshalb war es für mich eine ganz wichtige Auseinandersetzung. Es war auch ein Teil der Suche nach meiner Identität.
Das klingt nach einer sehr prägenden Zeit.
Ich habe dann Therapiejahre später in Wien gebraucht, bis ich wieder wach war und kapiert habe, was das für eine Zeit war und eine Phase, wo wir als Kollektiv als Menschen und auch als Individuum durchgegangen sind. 2015 bin ich zurück nach Wien gekommen und habe mich plötzlich richtig zu Hause gefühlt. Da war auch die Flüchtlingswelle. Da waren die Menschen an der Grenze. Ich war nicht in die Aktivitäten involviert, weil ich selber in meinem Privatleben kaputt war. Vom Gefühl her war Wien für mich so, dass ich gesegnet bin, dass ich den Platz habe, an dem ich mich gut fühlen kann. Ich habe gute alte Freunde und Menschen, die mich unterstützt haben. Jetzt ist Wien mein zu Hause. Die alte Heimat ist geplatzt, hat sich als eine Blase erwiesen. Sie wirkt teilweise nicht mehr. Jetzt bin ich in Wien zu Hause und in Österreich allgemein. Die Staatsbürgerschaft habe ich noch nicht, aber ich bin ein Wiener.
Wenn du die Staatsbürgerschaft hast, darfst du dann auch wählen.
Ich dachte bei der Bezirkswahl darf man dann schon wählen. Keiner kennt sich aus. Ich habe einen Daueraufenthaltstitel.
Wie geht es dir als Künstler? Du hast viele persönliche Entwicklungen durchgemacht. Das spiegelt sich wahrscheinlich in deiner Kunst wider. Kannst du von deiner Kunst hier leben?
Nein. Ich mache verschiedene Sachen und Jobs, bin ein bisschen Grafik- und Webdesigner. Da ich technisch und handwerklich gut bin, baue ich Sachen, übernehme Baustellen – ganz verschiedene Sachen. Leben von der Kunst – das Projekt war für mich eher eine therapeutische Arbeit. Ich bin zurückgekommen und hatte die Fotos von den Jungen da [Sami zeigt auf seine Bilder, die bei EDUCULT hängen]. Ich habe viele porträtiert. Das war eine Art Bearbeitung der Geschichte. Ich habe es ein paar Galeristen gezeigt. Es lässt sich nicht gut verkaufen, es ist schrecklich mit den Posen, der Haltung, den Gesichtern oder ich habe es nicht gut verkauft. Das kann auch der Fall sein. Ich bin nicht der Ego-Künstler, der sich verkauft. Ich versuche zu überleben und mache das, was mir am Herzen liegt. Noch habe ich nicht strategisch daran gearbeitet von meiner Kunst zu leben. Ich muss es ehrlich gesagt nicht machen. Ich wusste nicht, wie man es machen.
Würdest du deine Kunst gerne besser vermarkten oder bist du so zufrieden, dass du deine Kunst so machen darfst, wie es dir am Herzen liegt und nicht unter Druck stehst, damit Geld verdienen zu müssen?
Unter Druck zu stehen in Kombination mit der Kunst ist für mich keine Option. Wenn, dann so wie ich meine Kunst mache, wenn sie sich mal verkaufen lässt oder etwas erreicht. Ich wusste nicht, inwiefern die Kunstwelt etwas verlangt. Ich sehe schon, dass man sich ein bisschen mehr an die Kunstwelt anpasst. Ich wusste auch nicht, wie das funktioniert. Aber es wäre sicher angenehm, wenn man von der Kunst leben könnte. Es wäre besser als die jetzige Situation. Was mich aber bremst ist, dass die Kunstwelt – die Kunstszene und die Menschen, die man dort trifft, die Diskurse, die stattfinden, das allgemeine Wissen und die Kultur – mir fremd vorkommt. Es hat etwas gewisses Elitäres. Ich komme aus armen, bodenständigen Verhältnissen. Wir hatten viel Bildung daheim. Mein Vater war 20 Jahre lang Offizier in der Armee. Ich habe ganz viel von Literatur von klein auf gelesen. Es hat keinen Mangel an Wissen gegeben. Ich sehe mich aber nicht über anderen Menschen drüber. Ich sehe mich nicht als Besserwisser. Dieses Gefühl mag ich an der Kunstszene nicht, dass man sich dort als besser als die anderen hinstellt. Ich bin lieber bei dem normalen Volk.
Mir kommt das Bild auf, dass man auf einer Vernissage manchmal mehr mit Fassaden spricht, weniger mit den Menschen dahinter.
Da fühle ich mich fremd. Vielleicht hat mich das bisher gebremst eine Karriere zu machen und darin zu wachsen. Vielleicht muss ich das überwinden.
Oder du gehst deinen Weg und der eröffnet sich. Vielleicht muss man sich nicht groß anstrengen und in eine Richtung zwängen, sondern es tut sich Schritt für Schritt etwas Passendes auf.
Von der Kunst zu leben, ist eine gute Idee, wenn die hinhaut.
Vielen Dank für das sehr interessante Gespräch und alles Gute für deine weiteren Vorhaben!
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