EDUCULT im Gespräch mit Reynier Diaz
Reynier Diaz ist Künstler, Konservator und Restaurator. Er stammt aus Kuba und lebt und arbeitet seit einigen Jahren in Wien. EDUCULT hat mit ihm über seine Zeit in den Niederlanden, über kulturelle Differenzen zwischen Kuba, den Niederlanden und Österreich und über seine persönlichen Erfahrungen und Eindrücke als migrantischer Restaurator und Konservator in Wien gesprochen.
EDUCULT: Meine erste Frage wäre: Warum sind Sie hier?
Reynier Diaz: Nur aus Zufall. Ich habe beim Nationalmuseum der bildenden Künste in Havana gearbeitet. Ich bin Spezialist für Konservierung und Restaurierung seit mehr als zehn Jahren. Ich kam in Kontakt mit jemandem aus Österreich, der sehr interessiert an kubanischer Kunst war. Er sammelte Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen, alles, was mit unserer Kultur verbunden war. Er bat ein paar Spezialisten des Museums um Rat, um ein eigenes Museum in Wien zu eröffnen. Das „Museum of finest Cuban Arts“ in Wien hat vor ein paar Jahren im 13. Bezirk eröffnet.
Wir werden über Ihre künstlerische Arbeit noch sprechen, aber zuerst würde ich gerne mehr über Ihre Motivation erfahren. Warum sind Sie nach Wien gekommen? War es eine persönliche Entscheidung oder waren Sie gezwungen dazu?
Nein, es war eine Entscheidung. Ich habe vorher mehr als sechs Monate in den Niederlanden studiert, um ein Praktikum in Konservierung und Restaurierung am Maastricht Institut zu machen. Mir war es immer wichtig, neue Sprachen kennenzulernen und meinen Horizont zu erweitern, und so weiter.
Sie haben das Land nur für das Studium verlassen und um etwas zu lernen, oder haben Sie auch unter der politischen Situation gelitten?
Nein, das war nicht der Fall. Ich bin außerdem kein sehr politischer Mensch, ich sehe mich lieber als Freigeist. Ich habe Kuba nicht verlassen, weil ich gegen die Institution, das System oder die Regierung war. Es war einfach eine persönliche Sache, die ich gespürt habe, dass ich mich als Künstler weiterentwickeln wollte.
Sind Sie ein Teil des „brain drain“ in Ihrem Land, speziell wenn hochqualifizierte Leute das Land verlassen? Wir sehen das auch in Osteuropa, zum Beispiel in Bulgarien. Ich glaube sie haben jetzt 27% weniger Bevölkerung, da die Jugend für bessere Arbeitsbedingungen abwandert.
Das ist bei mir nicht der Fall.
Haben Sie eine Idee, was die Gründe dafür waren, dass Sie nach ihrem Studium nicht zurückgegangen sind?
Bezüglich Konservierung und Restaurierung etwa, wollte ich einen neuen Wissensstand erreichen. Kuba ist ein kleines Land. Es ist isoliert aufgrund von geographischen, aber auch politischen Grenzen. Ich wollte immer so viel Information wie möglich bekommen, und leider ist das in Kuba manchmal schwierig. Ich dachte, dass es vielleicht gut ist, mit unterschiedlichen Quellen in Kontakt zu kommen, wodurch ich mehr lernen könnte.
Können Sie sich vorstellen, eines Tages zurückzugehen?
Das habe ich immer im Kopf. Ich liebe Kuba, ich liebe das kubanische Essen und die Musik, die Atmosphäre. Aber im Moment glaube ich, dass es immer noch mehr gibt, das ich hier lernen kann.
Sie haben Ihre internationale Karriere in den Niederlanden gestartet. Könnten Sie uns einen Eindruck geben, wie es für Sie war, dort länger zu leben und zu arbeiten?
Zu Beginn, als ich ankam, war es ein Kulturschock für mich, weil ich nicht an einen anderen Lebensstil gewöhnt war. Ich kam von einer Insel. Aber als ich in die Niederlande ging, habe ich festgestellt, dass Grenzen keine Bedeutung mehr hatten. Ich wollte diese Freiheit und Gelegenheiten erleben, neue Menschen, neue Sprachen, neue Kulturen kennenzulernen und mich als Mensch zu öffnen. Das war mein Ziel seit ich ein Kind war.
Die Niederlande haben eine lange koloniale Vergangenheit. Sie standen schon immer in unterschiedlichen Beziehungen zu Menschen im Ausland. Waren Sie sofort ein Mitglied der niederländischen Gesellschaft?
Irgendwie ja, ich fühlte mich von Anfang an akzeptiert. Manchmal glaubten sie sogar, ich wäre Niederländer. Irgendwie sah ich für sie wie jemand aus einer niederländischen Kolonie aus. Natürlich haben sie nach zwei Minuten gemerkt, dass ich nicht von dort war, aber ich habe mich vom ersten Moment an sehr willkommen gefühlt.
Ich war so erstaunt – das ist jetzt ein kleiner Exkurs – vor vielen Jahren hatte ich die Gelegenheit, die Kulturpolitik von Amsterdam zu evaluieren. Und der damalige Alderman für Kultur stammte aus Guinea. Ich fand das so außergewöhnlich, dass diese gemischte Kultur auch auf politischer Ebene Repräsentation fand.
Die Niederländer sind sehr weltoffen, in vielerlei Hinsicht. Sie unterstützen gemischte Kulturen und Identitäten, sexuelle Selbstbestimmung. Das war etwas, was ich von Anfang an bewundert habe.
Es gibt ja auch eine andere Möglichkeit das zu sehen, wenn ich mir jetzt viele Migrant*innen ansehe, die nach Österreich zum Beispiel aus dem Nahen Osten kommen. Die sind oft schockiert, da für sie diese Art von Liberalität problematisch ist.
Weil sie nicht daran gewöhnt sind.
Und sie haben damit zu kämpfen. Sie hingegen kommen aus einem ganz anderen Teil der Welt und sagen, es ist toll.
Das war gut für mich. Es war das erste Mal, dass ich mit der europäischen Kultur in Kontakt kam. Danach ging ich zurück nach Kuba, habe mein Studium in Konservierung und Restaurierung von bildender Kunst an der Kunstuniversität Kuba fertiggemacht. Nach dem fünften Jahr erhielt ich meinen Bachelor of Arts für Konservierung und Restaurierung, aber ich war auch immer daran interessiert zu arbeiten, zu malen und etwas zu schaffen.
War es eher von Vorteil oder von Nachteil, dass Sie von den Niederlanden zurückgekommen sind und das Studium fertiggemacht haben? Hat es Ihnen geholfen? War es manchmal schwierig, wieder in die alte Realität zurückzukommen?
Nicht wirklich, auch weil es nur sechs Monate waren. Für mich war es auf jeden Fall ein Riesenvorteil, den ich nutzte, um meinen Abschluss zu machen, aber auch um zu lernen und mehr Input bezüglich der Dinge zu bekommen, die ich später machen möchte, denn es hat meinen Geist geöffnet. Das ist das Gute am Reisen.
Sie haben erwähnt, dass es eine neue Herausforderung war, nach Wien zu kommen. Österreich ist nicht die Niederlande, was waren Ihre ersten Erfahrungen hier?
Als ich hierher kam, dachte ich, dass die Menschen in Österreich so offen sein könnten, wie Niederländer*innen. Sagen wir so, ich hatte das Gefühl, dass sie ein bisschen Zeit brauchen, sich an neue Gesichter zu gewöhnen. Auch die Sprache ist eine Barriere. Ich spreche Deutsch, aber mein Englisch ist besser und fließender. Österreicher*innen brauchen etwas Zeit, um zu sehen, was du für ein Mensch bist. Wenn sie dich einmal kennenlernen, geben sie dir dein Herz.
Könnten Sie ein bisschen mehr über diese Schwierigkeiten am Anfang sagen, und wie Sie sich in ein warmes, natürliches Verständnis verändert haben? Was für Missverständnisse gibt es da, z.B. bezüglich Sprache?
Manchmal haben Menschen einen unterschiedlichen Rhythmus. In unterschiedlicher Hinsicht. Zum Beispiel haben wir Kubaner*innen ein anderes Zeitverständnis was Termine betrifft und tendieren dazu zu spät zu kommen. Das ist nur ein kleines Beispiel eines Unterschieds. Am Anfang war das eine große Sache, mich daran zu gewöhnen. Natürlich haben auch meine Freunde hier, mir beigebracht, dass es als respektlos betrachtet werden könnte, wenn man zu spät kommt. In Kuba wird das normalerweise nicht als etwas Schlechtes angesehen. Manchmal ist der öffentliche Verkehr nicht pünktlich, das ist immer eine gute Entschuldigung. Hier gilt diese Entschuldigung nicht. Es geht um Respekt und Wertschätzung gegenüber anderen. Manchmal geht es auch um Sprachen, denn Englisch ist in gewisser Weise eine neutrale Sprache, die man überall verwenden kann, aber gleichzeitig ist es hier etwas, was als Hindernis gesehen werden kann, wenn man ihr zu viel Bedeutung beimisst und sich nicht mit der Zeit auch auf Deutsch ausdrücken kann. Wie gesagt, wir sprechen gerade Englisch, da es fließender und einfacher ist für mich, aber meistens versuche ich, Deutsch zu sprechen, weil es auch besser für meine Zukunft sein wird, wenn ich akzeptiert werden möchte bzw. neue Leute kennenlernen will und mit ihnen eine höhere Beziehungsebene erreichen möchte.
Hier gibt es wahrscheinlich mindestens zwei Ebenen – ich weiß, es gibt viele – bei einer davon geht es um generelles Verständnis. Sie haben über Einstellungen und Sprache gesprochen. Aber es gibt vielleicht auch einen anderen Ansatz, bezüglich ihrem Berufsleben, als Künster, als Restaurator. Was waren Ihre ersten Schritte in Wien? Wurden Sie als Künstler akzeptiert? Gibt es hier einen starken Wettbewerb?
Ich glaube, ich wurde erstens als Profi akzeptiert, weil ich ein Spezialist in kubanischer Kunst bin. Ich hatte Glück, einen Job zu haben, oder einfach einen Ort zu finden, an dem ich Dinge einbringen konnte, die ich in Kuba studiert hatte. Das war mein Vorteil. Das hat mir auch die Tür nach Österreich geöffnet als Spezialist für Restaurierung und Konservierung. Obwohl ich nicht nur kubanische, sondern auch bildende Kunst restaurieren kann. Das kubanische Museum, in dem ich in Kuba gearbeitet habe, hat eine riesige Sammlung von unterschiedlichen Künstler*innen aus der ganzen Welt, aus den Niederlanden, eine spanische Sammlung und sogar eine deutsche Sammlung.
Was würden Sie sagen, ist Ihre persönliche Beziehung zwischen Ihrem Dasein als kubanischer Künstler oder Restaurator und jenem als Mitglied der Kunstwelt, einem internationalen Geschäft, das nicht von einer Nation abhängt?
Als Künstler versuche ich immer Ideen zu entwickeln, die nicht nur mit meinen kubanischen Wurzeln verbunden sind, sondern die mir die Möglichkeit geben, Gefühle und Situationen auszudrücken, die interessant sein könnten oder mit denen sich jemand identifizieren könnte, wie tiefere Gefühle, Dankbarkeit, Glück, usw. Ich bin nicht nur Kubaner, ich bin auch Bewohner dieser prächtigen Welt, die wir auf viele Arten ausdrücken können.
Sie haben eine kosmopolitische Einstellung. Ist diese wichtig für Ihre Arbeit?
Ich denke, es hat auch mit meinem Sternzeichen zu tun. Ich bin Wassermann, also bin ich ein offener freier Geist, der mit dem Wind geht und das Leben zu einer schönen Erfahrung machen möchte. Auch wenn man aus einem Land kommt, bedeutet das nicht, dass man nur dieses und nichts anderes repräsentieren muss, denn in erster Linie sind wir Menschen. Daher müssen wir uns auf unterschiedliche Weise ausdrücken. Ich glaube, dass wir alle in diesem Leben sind, um uns auszudrücken, oder um diese Welt für die nächsten Generationen besser zu machen.
Könnten Sie mir noch mehr über das kubanische Museum sagen? Wer sind die Akteure um dieses Museum?
Es ist ein Museum, das in einer Kooperation zwischen dem österreichischen Kulturinstitut und dem kubanischen Kulturministerium eröffnet hat. Man kann es nach vorheriger telefonischer Anmeldung besuchen, da es eine private Institution ist. Aber es ist natürlich für die Öffentlichkeit zugänglich.
Wer ist das Hauptpublikum?
Nicht nur Kubaner*innen, sondern auch Österreicher*innen oder jeder, der an der kubanischen Kultur interessiert ist.
Ich stelle diese Frage auch, weil ich ein bisschen besser verstehen möchte, ob es hier in Österreich oder Wien so etwas wie eine kubanische Community gibt. Wir haben hier ein paar starke Communities, wie die Iranische. Ich habe manchmal den Eindruck, dass diese recht isoliert von den anderen sind. Was ist Ihre Bindung zur kubanischen Community und zur österreichischen Gesellschaft?
Die kubanische Community ist ziemlich klein. Ich habe gehört, dass es etwa 700 Kubaner*innen hier in Österreich gibt. Allein in Wien sind es natürlich daher weniger. Obwohl die Community sehr klein ist, ist sie sehr stark. Sie organisieren sehr oft Veranstaltungen und Treffen und versuchen engen Kontakt zu halten.
Sind Sie ein aktives Mitglied dieser Community?
Nein.
Warum nicht?
Ich habe schon Kontakt zu einigen von ihnen, aber ich gehe nicht immer zu diesen Veranstaltungen. Nicht weil ich das Gefühl habe, nicht dazuzugehören, aber ich beschäftige mich lieber mit anderen Dingen. Weil ich Kubaner bin, heißt das nicht, dass ich immer an meine Wurzeln gebunden sein muss. Wie schon gesagt, ich möchte in Kontakt mit verschiedenen Mentalitäten kommen.
Werden diese 700 Leute hauptsächlich von Beamten der kubanischen Botschaft mobilisiert oder ist es einfach eine private Initiative?
Manchmal treffen sie sich durch private Initiativen. Es gibt einen kleinen Prozentsatz, der mit der kubanischen Botschaft verbunden ist, aber dieser ist winzig – vielleicht 15 Leute. Der Rest ist komplett privat. Manche sind mit österreichischen Staatsbürger*innen verheiratet oder ihre Familien sind schon vor vielen Jahren nach Österreich gekommen und haben sie nachgeholt.
Sie geben mir den Eindruck, dass Ihre Zugehörigkeit zur kubanischen Community weniger wichtig ist als die Teilhabe am professionellen Sektor von Restaurator*innen und Künstler*innen, die aus allen Teilen der Welt kommen.
Oft ist es vielleicht auch durch die Mentalität – es gibt viele Kubaner*innen, die weiterhin in Kuba leben möchten. Ich habe dagegen nichts. Aber ich möchte lieber in Kontakt mit mehr Menschen sein, die mir erlauben, auch als Person zu wachsen.
Ist das typisch für Sie als Künstler, wenn Sie sich mit Freunden aus der kubanischen Community vergleichen, die einen anderen professionellen Background haben? Ist das eine sehr persönliche, liberale Einstellung für Sie als Künstler?
Meine Mentalität ist anders. Ich hatte die Möglichkeit, ins Ausland zu reisen, als ich noch sehr jung war und meine Zeit in den Niederlanden hat mich verändert. Viele Kubaner*innen glauben, auch wenn sie außerhalb Kubas leben, weiterhin, dass ihr Land oder ihre Mentalität das Wichtigste ist, das von außen sichtbar sein soll. Ich glaube, dass man flexibel sein sollte. Das bedeutet nicht, dass man sich oder seine Wurzeln radikal verändern soll. Man wird immer Kubaner*in sein. Das ist etwas, womit viele Kubaner*innen Schwierigkeiten haben.
Das bringt mich zur gefährlichsten Frage von heute Nachmittag. Hier in Österreich sind wir mit einer politischen Entwicklung konfrontiert, die nicht sehr „Migrant*innenfreundlich“ sind. Wir haben diesen Migrations-/Integrationsdiskurs, den manche von uns für gefährlich erachten, da er in eine polarisierende Richtung geht und genau dagegen arbeitet, was Sie als Ihre Philosophie beschrieben haben. Sind Sie auf irgendeine Weise mit dieser politischen Sichtweise konfrontiert oder ist ihre Lebens- und Arbeitssituation davon nicht betroffen?
Manchmal versuche ich, mich da rauszuhalten. Leider betrifft es mich manchmal auf unterschiedliche Weise, zum Beispiel wenn ich versuche, beruflich Leute kennenzulernen, haben diese manchmal Schwierigkeiten, neue Menschen oder Gesichter zu akzeptieren, eben aufgrund ihrer Wurzeln. Natürlich ist das jetzt noch schwieriger als vorher. Als ich hierher kam, war es viel einfacher. Dieses Thema hat mich nicht wirklich betroffen, aber jetzt sind viele Leute viel sensibler bezüglich der Situation, es liegt irgendwie etwas in der Luft. Sie fühlen, oder verhalten sich, als ob sie von Migrant*innen bedroht werden würden.
Was glauben Sie, sind die Gründe für diese Entwicklung, diese Vorstellungen?
Ich glaube, weil die Menschen auf diesem Kontinent denken oder das Gefühl haben, sie verlieren ihren eigenen Platz. Sie müssen ihre Ressourcen teilen, die ohnehin schon klein oder weniger sind, und dann kommt jemand von außen.
Hat es in der Praxis schon einmal den Fall gegeben, dass ein*e österreichische*r Künstler*in oder Restaurator*in gesagt hat: „Du nimmst mir meinen Platz weg, ich muss meinen Platz gegen dich verteidigen“?
Nein, aber ich studiere jetzt an der Universität für Angewandte Kunst, weil ich auch versuche, ein neues Diplom zu erhalten. Ich bin schon in meinem dritten Jahr und werde in ein paar Jahren das Studium in Konservierung und Restaurierung abschließen. Da bekommt man manchmal das Gefühl, nicht von den Kolleg*innen, sondern von den Kund*innen, dass man als letzte Option gesehen wird, weil man Migrant*in ist. Sie wollen den Auftrag lieber an eine*n österreichische*n Restaurator*in oder Konservator*in geben.
Weil ein*e Österreicher*in z.B. besser versteht, wie man einen Klimt restauriert?
Sie glauben etwa, dass ein*e Österreicher*in besser weiß, wie man ein solches Werk restauriert als ein*e Migrant*in. Obwohl Talent nichts mit der Herkunft zu tun hat.
Gibt es Argumente, mit denen man diesen Stereotypen entgegentreten kann? Was würden Sie zu solchen Kund*innen sagen?
Ich würde sagen, bitte geben Sie mir die Möglichkeit, Ihnen meine Erfahrung und Expertise zu zeigen, und wie gut oder schlecht ich die Arbeit machen kann. Bewerten Sie mich nicht, weil ich Migrant bin.
Ich bin kein Spezialist, aber ich frage auch für unsere Leser*innen: gibt es so etwas wie eine Österreichische Schule der Restaurierung, die anders ist, als die Kubanische, Schwedische, usw.?
Das ABC ist mehr oder weniger das Gleiche überall auf der Welt. Nur die Materialien hier sind anders; wir haben die neuen Materialen in Kuba nicht. Ich würde sagen, das Talent ist sogar größer an solchen Orten, wo man nicht alle Möglichkeiten hat, weil man kreativ sein muss, wie man etwas restauriert oder mit einer ungewöhnlichen Art von Projekt umgeht.
Wenn Sie über diesen neuen Geist in diesen Vorurteilen vor allem gegen Migrant*innen sprechen – kann man da irgendetwas tun? Was kann man, was kann ich tun, um das zu minimieren? Gibt es da irgendetwas, oder müssen Sie sich dem einfach stellen und konfrontiert werden?
Ich denke, mein einziger Rat an diese Art von Menschen, die solche Vorurteile haben ist, den Menschen die Chance und die Gelegenheit zu geben, ihre Qualitäten und Ihre Professionalität zu zeigen. Dies ist mein einziger Rat: Gleiche Chancen für Alle.
Macht Ihnen dieser aktuelle politische Kurs, den wir momentan in ganz Europa sehen, irgendwie Angst, oder glauben Sie, das wird früher oder später wieder weggehen?
Ich fühle deswegen keine Angst, aber ich glaube, dass dies eine Weile, für ein paar Jahre, anhalten könnte, weil die Immigrationswellen weitergehen – und das ist etwas, das wir schon seit etwa vier Jahren sehen. Ich glaube, die Lösung wird sein, dass die Menschen Wahlfreiheit und Alternativen und die Möglichkeit eines besseren Lebens in ihrem Land haben. Aber es gibt so viele Dinge, viele politische und soziale Themen, mit denen sich ihre Regierungen nicht beschäftigen wollen. Grenzen werden immer wichtiger werden, weil viele Menschen ihren Raum nicht anderen geben wollen.
Zum Schluss zurück zu Ihrer künstlerischen Arbeit. Was sind Ihre künstlerischen Pläne? Wo sehen Sie sich in den nächsten fünf Jahren?
Ich liebe es, etwas zu schaffen, Menschen durch meine Arbeit als Künstler Alternativen und Ideen zu geben, oder einfach Dinge mit einer positiven Einstellung zu beleuchten. Das möchte ich machen. Vielleicht als Künstler an unterschiedlichen Projekte mit Österreicher*innen oder Menschen aus der ganzen Welt teilzunehmen, auch mit unterschiedlichen Medien, nicht nur zweidimensionale, sondern auch dreidimensionale, wie Skulpturen. Vor kurzem hatte ich eine persönliche Ausstellung in der Design Gallery, die bis 28. August lief.
So wie ich das verstanden habe, haben Sie mindestens zwei professionelle Standbeine: das Eine ist die Restaurierung, das Andere Ihre kreative künstlerische Arbeit. Schaffen Sie hier die Balance?
Ja, das schaffe ich, den etwas zu schaffen ist meine Leidenschaft, mein Hobby. Auch das Restaurieren liebe ich, weil ich glaube, die Restaurierung erlaubt uns als Menschen, Dinge, die schon geschaffen wurden zu bewahren und an zukünftige Generationen weiterzugeben.
Haben Sie einen Plan diesbezüglich, dass Sie immer Ihren Weg gehen werden und es immer Möglichkeiten für Sie geben wird, zu lernen, zu arbeiten und zu praktizieren? Oder sehen Sie der Zukunft hier auch offen entgegen?
Ich möchte die beiden Welten in Balance halten können: Konservierung und Restaurierung sowie meine kreative und persönliche Arbeit als Künstler. Ich denke, dass ich beides gleichzeitig tun können werde.
Wir arbeiten im Bereich der Kulturellen Bildung, und dadurch über die Position von Kunst und Kultur in Schule und Bildung. Könnten Sie uns einen Einblick verschaffen, was diesbezüglich in Kuba passiert? Gibt es dort ein gutes Angebot Kultureller Bildung? Würden Sie eine Rolle hier spielen, indem Sie mit jungen Menschen arbeiten?
Das würde ich sehr gerne. Das ist eigentlich etwas, was ich auch immer im Hinterkopf hatte. Ich möchte bei der nachkommenden Generation etwas bewirken, ich würde ihnen gerne helfen, eine neue Philosophie zu erschaffen. Manchmal brauchen sie neue Erkenntnisse – sie sind von Wasser und von politischen Problemen sowie von einer engstirnigen Denkweise umgeben.
Hat Kultur in Ihrer Schulzeit eine Rolle im Lehrplan gespielt? Hat dies auch Ihre beruflichen Pläne beeinflusst?
Ich denke schon. Allein, bildende Kunst in Kuba zu studieren, hat meinen Horizont erweitert und meinen Charakter auf unterschiedliche Weise geformt. Und natürlich hat meine Bildung eine große Rolle darin gespielt, wie ich das Leben sehe.
Gibt es noch irgendetwas, das wir ausgelassen haben und was Sie in unsere Konversation einbringen möchten? Gibt es noch etwas, das Sie erwähnen wollen?
Ich glaube, wir haben schon über so vieles gesprochen, aber ich möchte noch einmal sagen: ladet Menschen dazu ein, in Kontakt mit Migrant*innen zu treten. Schafft Chancen, zusammenzuarbeiten, aktiv zu werden, habt keine Angst, mit neuen Kulturen in Kontakt zu treten. Das könnte viel zur Weiterentwicklung beitragen und Fortschritt bewirken.
Sie verkörpern das auf eine gewisse Art, nachdem Sie diese Erfahrungen selbst gemacht haben. Also sagen Sie das nicht nur theoretisch, sondern dies ist die Repräsentation Ihrer eigenen Erfahrung.
Ich denke ich bin die menschliche Repräsentation meiner Gedanken und auch dieser Art von Argumentation und Manifestationen. Seid einfach frei, weltoffen, und glaubt daran, dass neue Menschen, Philosophien, und auch neue Kulturen nichts sind, wovor man Angst haben braucht, sondern etwas, was man offen empfangen muss. Veränderung ist nichts Schlechtes, es ist etwas Positives.
Jetzt bin ich dazu gereizt, Sie zu fragen, gibt es auch eine Gefahr darin, so zu denken und agieren?
Es wäre eine Gefahr, wenn man sich selbst nicht gut genug kennt. Aber wenn man sich seiner selbst bewusst ist, braucht man keine Angst zu haben, denn im Inneren weiß man, dass man selbst sich nicht ändern wird.
Vielen Dank. Ihre positive Einstellung und Ihre Gedanken haben mir sehr gefallen. Ich glaube, sie werden auch für unsere Kolleg*innen wichtig sein.
Ich danke für die Einladung und die Gelegenheit, mit Ihnen meine Gedanken, Pläne und Lebenseinstellungen zu teilen.
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