Changing Politics – Changing Cultures
Eintägiges europäisches kulturpolitisches Symposium
Die politischen Verhältnisse in Europa verändern sich nachhaltig. Der britische Politikwissenschafter Garton Ash spricht von einem „Kontinent, der von einer Welle des Nationalpopulismus“ geflutet würde. Unterlaufen werden damit die mühsam errungenen demokratischen Standards liberaler Rechtsstaatlichkeit.
Immer spürbarer werden Desintegrationstendenzen, die die nationalen Gesellschaften auseinander driften lassen. Nicht nur der jüngste österreichische Wahlkampf hat gezeigt, dass sich der freiwillige und unfreiwillige Zuzug politisch gut instrumentalisieren lässt. In dieses Szenario passt auch eine frustrierende Ungewissheit, die wachsende Teile der Bevölkerungen erfasst hat; eine damit verbundene Entsolidarisierung tut ein Übriges, die Bedeutung zivilgesellschaftlichen Engagements zur Mitgestaltung der nationalen Gesellschaften in Frage zu stellen.
Die Veranstaltung geht der Frage nach, welche Auswirkungen die aktuellen politischen Veränderungen auf den Kunst- und Kulturbetrieb haben werden. Bereits jetzt zeigen sich Einschränkungen bei der öffentlichen Förderung; dazu lassen Akteur*innen mit der Erklärung ihrer Bereitschaft aufhorchen, ein spezifisch österreichisches Kulturverständnis zu befördern.
Besonders herausstellen möchten wir diejenigen künstlerischen Initiativen, die darauf abstellen, die neuen politischen Verhältnisse kritisch zu reflektieren und dadurch ihrer scheinbaren Alternativlosigkeit entgegenzuwirken. Sie liefern Anschauungsmaterial für die Beantwortung der Frage, ob und wenn ja in welcher Weise der Kunstbetrieb willens und in der Lage ist, sich mit den neuen politischen Gegebenheiten auseinanderzusetzen und mit seinen Erkenntnissen noch einmal signifikante Öffentlichkeiten zu erreichen.
Den Abschluss der Veranstaltung bilden Überlegungen zu den konkreten Auswirkungen der neuen Regierungskonstellation in Österreich mit ihren kulturpolitischen Schwerpunktsetzungen.
Hörbeitrag: „Die Kultur der schwarz-blauen EU-Ratspräsidentschaft“ von Patrick Kwazi, in dem am Ende die Aufzeichnungen der Beiträge von Guillaume Paoli, Ruth Simsa und Cesy Leonard auf dem Symposium zu hören sind.
Symposium „Changing Politics – Changing Cultures“
Datum: 26. April 2018, 9:30 Uhr
Ort: Universität für Angewandte Kunst Wien: Ausstellungszentrum Heiligenkreuzerhof, Schönlaterngasse 5, 1010 Vienna
Konzept: Michael Wimmer
Information & Anmeldung: info(a)uni-ak.ac.at
Gäste/Referent*innen: Gerald Bast (Universität für Angewandte Kunst Wien), Ruth Beckermann (Filmemacherin) (eingeladen), Luca Bergamo (Kulturstadtrat von Rom), Eva Blimlinger (Akademie der bildenden Künste Wien), Michael Freund (der Standard), Maria Anna Kollmann (Kulturrat Österreich), Cesy Leonard (Zentrum für politische Schönheit), Vincent Martigny (Ecole Polytechnique Paris), Robert Misik (Journalist und Autor), Elke Moltrecht (Akademie der Künste der Welt Köln), Guillaume Paoli (Schriftsteller und Philosoph), Robert Prosser (Autor), Anke Schad (Kulturtheoretikerin Wien), Martin Schenk (Diakonie Österreich), Ruth Simsa (Wirtschaftsuniversität Wien), Andreas Stadler (BMEIA Österreich), Arne Vogelgesang (internil), Aron Weigl (EDUCULT), Michael Wimmer (Universität für angewandte Kunst Wien, EDUCULT)
Programm
9:30 – 10:00 Eröffnung und Einführung in das Symposium
Gerald Bast/Rektor Universität für Angewandte Kunst Wien
Michael Wimmer/Universität für angewandte Kunst Wien; EDUCULT
10:00 – 10:30
Luca Bergamo/Kulturstadtrat von Rom (eingeladen) /Vortrag in englischer Sprache
10:30 – 11:00
Vincent Martigny/Politikwissenschafter an der École Polytechnique/Paris/Vortrag in englischer Sprache
11:00 – 11:30
Guillaume Paoli/Schriftsteller und Philosoph
(11:30 – 12:00 Pause)
12:00 – 13:30 Zu den gesellschaftspolitischen Veränderungen
Robert Misik/Journalist und Autor
Martin Schenk/Menschenrechtsaktivist – Direktor der Diakonie Österreich
Andreas Stadler/Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres
Ruth Simsa/Wirtschaftsuniversität Wien
Moderation: Michael Wimmer/Universität für angewandte Kunst Wien; EDUCULT
(13:30 – 14:30 Mittagspause)
14:30 – 15:00 Präsentation von Arbeiten Studierender des Masterstudiums Social Design
Milly Reid und Enrico Tomassini „Some Call them Balkans“, Wien
15:00 – 15:30 Künstlerische Intervention
Arne Vogelgesang/Regisseur und Performancekünstler, Berlin
15:30 – 17:00 Antworten aus dem Kunstfeld
Arne Vogelgesang/Regisseur und Performancekünstler, Berlin
Robert Prosser/Autor
Elke Moltrecht/Akademie der Künste der Welt, Köln
Anke Schad/Kulturtheoretikerin, Wien
Moderation: Aron Weigl/EDUCULT
(17:00 – 17:30 Pause)
17:30 – 18:00 Präsentation
Cesy Leonard/Zentrum für politische Schönheit
18:00 – 19:30 Abschlussdiskussion: Kulturpolitik im Zeichen der politischen Wende in Österreich
Gerald Bast/Rektor Universität für Angewandte Kunst Wien
Ruth Beckermann/Filmemacherin
Eva Blimlinger/Rektorin Akademie der bildenden Künste Wien
Maria Anna Kollmann/Kulturrat Österreich
Michael Wimmer/Universität für angewandte Kunst Wien; EDUCULT
Moderation: Michael Freund/Freier Autor und Lehrbeauftragter Medienkommunikation
Referent*innen
Ruth Beckermann
Ruth Beckermann ist in Wien geboren, wo sie auch ihre Kindheit verbrachte. Nach dem Studium der Publizistik und Kunstgeschichte und Studienaufenthalten in Tel Aviv und New York promovierte sie 1977 an der Universität Wien zum Dr.phil. Sie arbeitete als Journalistin für verschiedene Zeitschriften in Österreich und der Schweiz. 1978 gründete sie mit zwei Kollegen den Verleih filmladen, wo sie siebe n Jahre tätig war. In dieser Zeit entstanden ihre ersten Filme und Bücher. Seit 1985 arbeitet Ruth Beckermann als freie Autorin und Filmschaffende. Der Film „Die Geträumten“ hatte auf internationalen Festivals besonders großen Erfolg. Bei der Diagonale 2016 wurde er als bester Spielfilm ausgezeichnet und gewann fünf weitere Preise. Beckermanns neuer Dokumentarfilm „Waldheims Walzer“ wird Anfang 2018 fertiggestellt.
Luca Bergamo
Luca Bergamo, 1961 in Rom geboren, ist Kulturstadtrat von Rom. Er studierte Politikwissenschaften an der Sapienza Universität Rom. Er nahm an der Gründung und Organisation des Enzimi Kulturfestivals in Rom (1995-1999) teil. Von 2001 bis 2004 war er Präsident des Organisationskommittees der Biennale des Jeunes Créateurs d’Europe et de la Méditerranée. Von 2012 bis 2016 war er Generalsekretär von Culture Action Europe.
Maria Anna Kollmann
Studium der Germanistik und Theaterwissenschaft, Geschäftsführerin des Dachverbandes der Österreichischen Filmschaffenden. Kurienmitglied im Künstler*innensozialversicherungsfonds, Gründungsmitglied der Akademie des Österreichischen Films, Mitglied der Unesco-Arbeitsgruppe Kulturelle Vielfalt, Mitglied im Team4-Beirat und Vorsitzende im Kulturrat Österreich.
Cesy Leonard
Cesy Leonard ist Künstlerin, Filmemacherin, Chefin des Planungsstabs des Zentrums für Politische Schönheit und leitet das Filmdepartment. Sie begann ihre künstlerische Laufbahn als Graffitiartist in Stuttgarts Straßen und auf S-Bahnen und war eine der wenigen Frauen in der Stuttgarter Hip-Hop-Szene. In der Frauen-Crew „No Frills“ rappte sie und war deutschlandweit auf Tour. Ihr erstes Engagement als Schauspielerin hatte sie 2001 als durchgehende Rolle in einer ARD-Serie. Danach folgten weitere Engagements in TV und Film. Nach einigen eigenen Filmen traf sie 2010 auf das Zentrum für Politische Schönheit, das schlagartig ihre künstlerische Heimat wurde.
Vincent Martigny
Vincent Martigny ist Lehrbeauftragter in Politikwissenschaften an der École Polytechnique und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei LinX (Laboratoire interdiscplinaire de l’X). Des Weiteren ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am CEVIPOF (Sciences Po research centre for French Politics) und lehrt Französische Politik an derselben Institution. Seine Forschung konzentriert sich auf die zeitgenössischen Formen des französischen Nationalismus und die laufende Debatte über nationale Identität in Europa, mit Schwerpunkt auf kulturellen Nationalismus.
Elke Moltrecht
Elke Moltrecht studierte Musikwissenschaft an der Humboldt Universität Berlin, ist Mitbegründerin des Heinrich Schütz-Haus/Nationale Forschungs- und Gedenkstätte Bad Köstritz und war in der Gründungszeit Mitarbeiterin des Bosehaus/Bachmuseum Leipzig.
Von 1992 bis 2005 arbeitete Elke Moltrecht im Podewil – Zentrum für aktuelle Künste in Berlin und leitete den Musikbereich ab 1995. 2006 und 2007 war sie die Leiterin des Ballhaus Naunynstraße in Berlin Kreuzberg. Sie gründete 2001 das CD-Label x-tract. Als Geschäftsführerin des landesweiten Netzwerk Neue Musik „Musik 21 Niedersachsen“ arbeitete sie von 2008 bis 2011 in Hannover. Sie leitete das Projekt „Musik sehen“ des Humboldt Lab Dahlem, arbeitet als Geschäftsführerin von „Hybride Musik“ und gründete 2013 das Ensemble Extrakte für transtraditionelle musikalische Praxis und Forschung. Elke Moltrecht hat im März 2014 die Geschäftsführung der Akademie der Künste der Welt Köln übernommen.
Guillaume Paoli
Guillaume Paoli, 1959 in Frankreich geboren, lebt in Berlin und war Mitbegründer der „Glücklichen Arbeitslosen“, und Mitherausgeber ihrer Zeitschrift „müßiggangster“. 2003 machte er sich als „Demotivationstrainer“ selbständig. Von 2008 bis 2013 war er im Leipziger Centraltheater als „bundes- und vielleicht weltweit erster Hausphilosoph“ eingestellt. Dort leitete er die „Prüfgesellschaft für Sinn und Zweck“ und betrieb eine rege besuchte „philosophische Praxis“. Heute ist er als freier Publizist und Vortragender tätig. 2016 war er am Kapitalismustribunal in Wien beteiligt.
Robert Prosser
Robert Prosser, geboren 1983 in Alpbach/Tirol, lebt dort und in Wien. Studium der Komparatistik und Kultur- und Sozialanthropologie, Aufenthalte in Asien, in der arabischen Welt und in England. Er tritt mit Performances auf, ist Mitbegründer von Babelsprech zur internationalen Förderung junger Poesie und konzipiert im Literaturhaus Wien die Lesungsreihe „Kombo Kosmopolit“. Er veröffentlichte u.a. den Roman „Geister und Tattoos“ (Klever, 2013), sowie als Mitherausgeber „Lyrik von Jetzt 3″ (Wallstein, 2015). Im August 2017 erschien bei Ullstein fünf der Roman „Phantome„.
Milly Reid
Milly Reid ist Raumkünstlerin und lebt und arbeitet momentan in Berlin. Aus den Bereichen Kunst, Architektur und soziales Design kommend, erforscht sie, wie räumliche und soziale Praktiken über physische und mentale Grenzen hinweg zusammenwirken. Ihre Arbeit entstehen durch poetische und theatrale Erzählungen, die in Projekten über Konzepte von Angst, Besitzformen und Arten des „in Bewegung seins“ realisiert werden.
Anke Schad
Anke Schad hat 2017 ihr PhD-Studium in Kulturbetriebslehre an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien abgeschlossen. Sie arbeitet als selbstständige Forscherin und Evaluatorin in den Bereichen Kulturmanagement, Kulturpolitik, internationale Kulturarbeit und kulturelle Bildung.
Martin Schenk
Martin Schenk ist Sozialexperte sowie Stv. Direktor der Diakonie Österreich und Mitbegründer der „Armutskonferenz“. Seine Schwerpunkte sind welfare policy, Gesundheit, Kinder/Jugend und Integration. Martin Schenk ist Mitinitiator zahlreicher sozialer Initiativen: “Hunger auf Kunst und Kultur” (Kultur für Leute ohne Geld), “Wiener Spendenparlament” (Stimmen gegen Armut), Verein Hemayat (Betreuung schwer Traumatisierter), “Sichtbar Werden” (Armutsbetroffene organisieren sich).
Enrico Tomassini
Enrico Tomassini kommt aus den Bereichen Architektur und Film, hat seinen Interessensfokus jedoch in Richtung Entwicklung von interdisziplinären kritischen Annäherungen an verschiedene soziale Fragestellungen, kreative Prozesse und städtische Räume ausgeweitet. Er denkt und theoretisiert gerne und setzt gerne partizipative und kollaborative Prozesse um, in denen Storytellling, Mapping, kritische Erforschung sowie räumliche und performative Interventionen verwendet werden, um Narrative und Repräsentationen einer Realität hinterfragt werden.
Arne Vogelgesang
Geboren 1977 in Berlin. Regieausbildung am Max-Reinhardt-Seminar Wien, Gründer des Theaterlabels internil. Unter diesem und eigenem Namen seit 2005 freie Theaterprojekte in Wien, Leipzig und Berlin, seit einigen Jahren mit Schwerpunkt politische Radikalisierung. Experimentiert mit verschiedenen Zusammensetzungen von dokumentarischem Material, neuen Medien und Performance. Außerdem freie Arbeit als Videokünstler, Vorträge und Workshops zur Ästhetik radikaler Internet-Propaganda, literarische Veröffentlichungen. Stipendien, Preise, Residenzen.