Kulturpolitik und Publikum
Europäische Konferenz
VORERST ABGESAGT
Datum: 30. April 2020, ganztägig
Ort: Universität für Angewandte Kunst Wien: Auditorium Vordere Zollamtstraße 7
Konzept & Moderation: Michael Wimmer
Information & Anmeldung: info(a)uni-ak.ac.at
Nikolaus Harnoncourt meinte einmal, nicht nur die Akteur*innen auf der Bühne sondern auch die Zuhörenden seien „Musiker*innen“. Erst das gleichrangige Zusammenwirken zwischen den Ausübenden und den Rezipient*innen erfülle das, was wir Kunst nennen.
Die Republik Österreich feierte 2018 ihr hundertjähriges Bestehen und damit den Übergang von einer feudalen zu einer demokratischen Verfassung. Die zuletzt von Stefan Heidenreich und Markus Resch in der Zeit angeheizte Diskussion in der Zeit zur „Demokratisierung der Kunst“ deutet darauf hin, dass der Kunstbetrieb diesen politischen Transformationsprozess bis heute nur sehr bedingt antizipiert hat. Ungebrochen entziehen sich viele, vor allem öffentlich getragene Kunsteinrichtungen den Bedürfnissen ihrer Publika nach Mitwirkung und Mitgestaltung und sehen dadurch die mühsam errungene Autonomie der Kunst gefährdet. Dazu kommt der wachsende Einfluss einer Marktlogik, die zuletzt Wolfgang Ullrich mit seiner Studie zur „Siegerkunst“ auf den Punkt gebracht hat sowie populistische Zuschreibungen, die den Kunstbetrieb ungebrochen als Ort des sozialen Distinktionsgewinns für Krisengewinner brandmarken.
Hanno Rauterberg sprach zuletzt von einem „Teufelskreis“, den es zu durchschlagen gälte, um auf diese Weise der Kunst den Nimbus des Elitären zu nehmen und sie dabei dennoch nicht der Verbeliebigung durch Quotendruck anheimzustellen.
Erstes Anliegen der diesjährigen europäischen Konferenz zu aktuellen kulturpolitischen Fragen ist es, ein Bewusstsein zu schaffen für die wachsende Bedeutung der Publika für die Kulturpolitik. Dies zeigt sich ebenso in einem geänderten Verhältnis von Kunstangebot und Nachfrage wie – diese Änderungen antizipierend – neuen strategischen Entwicklungen innerhalb des Kunstbetriebs. Dabei gilt es, mit einiger Verzögerung auch in diesem Politikfeld einen demokratiepolitischen Anspruch einzulösen, der auch den nicht unmittelbar Kunst Produzierenden aktive Mitwirkungs- und Mitgestaltungsrechte einräumt, denen der Kunstbetrieb zu entsprechen hat, will er seine gesellschaftliche Relevanz nicht verlieren.
Auf der Suche nach einer Neubewertung des Publikumsaspekts für deine demokratisch legitimierte Kulturpolitik sollen nicht nur grundlegende kunsttheoretische Überlegungen angestellt werden sondern diese in ein Verhältnis gebracht werden zu Praxisformen des Kunstbetriebs, die ein neues Verhältnis zu seinem Publikum suchen. Dazu gehört aber auch die Beschäftigung mit Megatrends wie Ökonomisierung, Digitalisierung und Mediatisierung, Internationalisierung, das Wiederaufflammen ethnischer Konflikte und damit verbundene Identitätskonzepte, Migration und Fluchtbewegungen sowie die Verschärfung sozialer Ungleichheit und damit verbundene Konsequenzen für das kulturelle Verhalten und damit für die Entwicklung neuer Publikumsstrategien.
Verknüpfung von Theorie und Praxis
Ausgehend von europäischen Initiativen nimmt die Veranstaltung Bezug auf die aktuellen, empirisch nachvollziehbaren Datenlagen im Bereich der Publikumsentwicklung und stellt Initiativen vor, die Kunsteinrichtungen dabei unterstützen, ihre kommunikativen Kompetenzen mit dem Publikum weiter zu entwickeln und so die Relevanz von Kunst für ein interessiertes bzw. interessierbares Publikum zu erhöhen.
Dazu dienen sowohl Ergebnisse europäische Projekte zu Audience Development wie ausgewählte Studien aus vorrangig nationalstaatlicher Sicht. Dazu kommen einzelne Künstler*innen-Positionen, die sich auf die Suche nach einem neuen Verhältnis zu ihren Publika gemacht haben.
Im Zentrum der Veranstaltung stehen die Vorstellung und Diskussion ausgewählter Praxisbeispiele. Dabei wird der Frage nach den Beziehungsverhältnissen zwischen Künstler*innen und Publikum in einem demokratischen Zeitalter nachgegangen. Dies beinhaltet eine Reihe von Methoden die über jeweils eigene konzeptive Grundlagen verfügen und durchaus unterschiedliche Absichten verfolgen. Sie reichen von Kulturpädagogik, kreativer, ästhetischer, kultureller oder künstlerischer Bildung, Kunst- und Kulturvermittlung bis zu neuen Methoden des Audience Development.
Haltegriffe für eine rezipientenorientierte Kulturpolitik zwischen Markt und Staat
In einem abschließenden Plenum sollen mit führenden Vertreter*innen des Kunstbetriebes aus unterschiedlichen künstlerischen Sparten neue Möglichkeiten ausgelotet werden, wie eine konzeptionelle Weiterentwicklung des Kulturbetriebs im Zusammenwirken mit dem Publikum gelingen kann. Ziel ist die Entwicklung eines neuen Sets an kulturpolitischen Maßnahmen, die sich in einer ebenso demokratisch wie marktwirtschaftlich verfassten Gesellschaft wissen und die mithelfen können, den Widerspruch zwischen autonomen Kunstansprüchen und den Erwartungshaltungen des Publikums aufzulösen.
Bild: © die Angewandte – Facebook