„Das Einzige, was uns zur Zeit hilft, das sind Waffen und Munition“
So viel vorweg: Getreu dem Motto: „Kunst ist ein Format, das jede Formatierung übersteigt“ liegt es nicht an mir (und auch an niemanden sonst), der Kunst Grenzen aufzuzeigen oder gar zu versuchen zu definieren, was Kunst ist und was sie darf und was nicht.
Kunst kann alles (ja, selbst bestehende gesetzliche Regelungen in Frage stellen), sofern ihre Autor*innen dafür die Verantwortung übernehmen. Sie kann also unpolitisch gerieren, a-politisch, anti-politisch sein wollen und natürlich auch politisch.
Die Diskussion ist zuletzt anhand einiger prominenter russisch-stämmiger Künstler*innen virulent geworden, die angesichts des kriegerischen Angriffs Russlands auf die Ukraine nicht bereit waren, sich als Günstlinge des Regimes Vladimir Putins klar von seiner eklatanten Völkerrechtsverletzung zu distanzieren. Publikumslieblinge wie Anna Netrebko fordern dagegen ein Recht auf Distanz zur Politik: Kein Künstler solle gezwungen werden, sich politisch zu deklarieren. Immerhin konnte sie sich zuletzt zu einem öffentlich geäußerten Wunsch aufraffen, der Krieg solle aufhören. Nicht so gern erinnert werden möchte sie in diesen Tagen freilich an ihre Begegnung mit von Russland unterstützten Separatisten in der Ostukraine, die sich öffentlichkeitswirksam hofiert hat. Mit ihren gesanglichen Fähigkeiten hat das freilich alles herzlich wenig zu tun.
Gerade in Österreich gibt es eine lange Geschichte von scheinbar a-politischen Künstler*innen, die sich ausschließlich ihrer Kunst verpflichtet sehen wollten und dabei auch ihre Indienstnahme durch noch so brutale Unrechtsregime in Kauf nahmen (die Liste der Betroffenen ist lang und reicht von Herbert von Karajan bis Paula Wessely). Nach 1945 diente ihre Weigerung, sich als Akteur*innen in einem herrschenden politischen Kontext zu begreifen als eine Bestätigung der konservativen Verfassung des Kulturbetriebs. Gegen sie musste in den 1970er Jahren erst eine neue Generation gesellschaftskritischer Künstler*innen aufstehen, die diese Form der Ignoranz sehr wohl als hochpolitisch, weil als Bestätigung einer konservativen Hegemonie zu benennen vermochten.
Was unterscheidet Künstler*innen politisch vom Rest der Gesellschaft?
In der Einschätzung einer vermeintlich besonderen politischen Zuständigkeit von Künstler*innen würde ich gerne von der Annahme ausgehen, dass diese zuerst einmal gleichberechtigte Mitglieder der Zivilgesellschaft und damit nicht kategorial von allen anderen Bürger*innen zu unterscheiden sind. Auch wenn viele Künstler*innen eine besondere politische Aussagekraft für sich beanspruchen, so lassen sich jedoch nur schwer gute Argumente dafür zu finden, warum künstlerische Produktion dazu legitimieren würde, politische Entscheidungsprozesse in herausragender Weise zu beeinflussen. Das Schimpfen auf vermeintlich unfähige Politiker*innen reicht da in der Regel nicht aus.
Und so gibt es – wie im großen Rest der Zivilgesellschaft – Künstler*innen, die sehr kluge Gedanken zur Politik äußern, andere, die sich in den größten Stereotypien ergehen und solche, die politisch überhaupt nicht in Erscheinung treten. Und das auch nicht wollen bzw. sich einer ihnen zugedachten Zuschreibung zu verweigern trachten, weil sie Kunst machen und nicht Politik.
Ausnahmen bilden solche, die explizit ein politisches Engagement anstreben und sich für die Ausübung eines politischen Mandates entscheiden bzw. sich demokratischen Wahlen zur Erlangung einer politischen Funktion stellen: Die Schauspieler Karlheinz Hackl und Roland Düringer fallen mir dazu als Parteigründer ein. Oder Franz Morak, der es als Schauspieler am Burgtheater und Punksänger sogar zum Kunststaatssekretär der schwarz-blauen Bundesregierung ab 2000 gebracht hat.
Und natürlich gibt es Künstler*innen, die ihre Arbeit als eine explizit politische verstehen bzw. ihre Kunst als ein politisches Medium sehen. Sie stellen sich mit ihrer Arbeit in den Dienst einer politischen Bewegung; einer ihre prominentesten Vertreter war wohl John Heartfield, der mit seinen Grafiken und Photomontagen die Absicht verbunden hat, politische Aufklärung gegen die herrschenden Verhältnisse zu betreiben. Aktuelle Initiativen wie das „Zentrum für politische Schönheit“ stehen in dieser Tradition. Sie sehen es als ihren künstlerischen Auftrag, sich in vielfältige, wenn auch künstlerisch vermittelnde Auseinandersetzung mit den Vertreter*innen rechtspopulistischer und rechtsradikaler Bewegungen zu begeben. Dazu kommen die Künstler*innen, die sich wie Oliver Ressler intensiv mit aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen wie Ökologie. Migration, Menschenrechte oder Demokratie auseinandersetzen und ihre diesbezüglichen Positionen in eine künstlerische Form zu bringen versuchen (Dass weite Teile der Popmusik – zumindest bevor sie dem Mainstream einverleibt werden – dem Kampf gegen (gesellschafts-) politische Missstände entspringen, bleibt im Feld der etablierten Künste gerne unterbelichtet)…..
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Krieg in der Ukraine -#blueyellowjam/ ©dosenkunst
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