Die „commune“ oder ein kurzer Moment der politischen Utopie
Eine kleine autobiographische Revue Teil IV
Ende der 1970er Jahre zeigten sich beträchtliche Brüche im Reformprojekt der seit 1971 alleinregierenden Sozialdemokratie. 1978 erfuhr Bruno Kreisky eine herbe Niederlage bei der Volksabstimmung zur Inbetriebnahme des Atomkraftwerkes Zwentendorf ein. Und doch gelang es ihm ein Jahr darauf, bei der Nationalratswahl 1979 für seine Partei mit 51% der Wähler*innen-Stimmen noch einmal eine absolute Mehrheit zu erzielen. Zur selben Zeit versammelte sich in und rund um die Anti-AKW-Bewegung ein vor allem jugendlicher Teil der Bevölkerung, der immer weniger bereit war, „ein Stück des Weges“ mit der Regierungspartei mitzugehen. Mit ihren Emanzipationserwartungen wollten sie sich auch von einem überkommenen politischen Paternalismus nicht mehr gängeln lassen sondern ihre Geschicke selbst in die Hand nehmen. Erstmals in ein breiteres öffentliches Bewusstsein erreichte dieser gesellschaftliche Wandel mit der Besetzung der „Arena“, einem spontan entstandenen Jugend- und Kulturzentrum, das im Anschluss an die Wiener Festwochen 1975 für wenige Monate im ehemaligen Auslandsschlachthof Sankt Marx die Idee der kulturbetrieblichen Selbstverwaltung am Leben erhielt, bevor es zugunsten eines Modegroßhandels geschleift wurde.
Trotz dieser Niederlage bildeten sich in der Folge immer neue Protestformen, sei es bei Hausbesetzungen oder anderen Aktionsformen, die die offizielle Kulturpolitik, zunehmend irritierten. In der Anti-Zwentendorf-Bewegung schließlich bündelten sich die unterschiedlichsten Interessen. Im gemeinsamen Kampf gegen eine zunehmend abgehobene Staatsmacht verband sich konservatives Streben nach Unversehrtheit der Natur mit dem revolutionären Kampf gegen das ausbeuterische Großkapital und brachte die ehernen politischen Verhältnisse zum Tanzen. Die regierende SPÖ schien darauf nur ungenügend vorbereitet. Immerhin hatte sich Kreisky die längste Zeit als ein Meister darin erwiesen, wenn es darum ging, zwischen den verschiedenen Flügeln seiner Partei – rechte Gewerkschafter und linke Ideologen – zu jonglieren. Was sich da außerhalb der Partei politisch zusammenbraute, konnte nur zu leicht als irrelevant abgetan werden (Kreisky sprach in diesem Zusammenhang von „Lausbuben“, von denen er sich nicht von seinem Kurs abhalten würde). Mit dem Erstarken des Einflusses des jungen Finanzministers und Vizekanzlers Hannes Androsch entbrannte schließlich ein interner Machtkampf um den künftigen Kurs der Partei, der dem „Alten“ zunehmend entgleiten sollte.
Die Sozialistische Jugend als Rekrutierungsplattform künftiger Politiker*innen
Die Sozialistische Jugend (sj) spielte in diesen Auseinandersetzungen nur sehr am Rande mit. Als traditionelle Kaderorganisation kam ihr vor allem die Aufgabe zu, eine künftige Politiker*innen-Generation auf ihre Ämter vorzubereiten. Ein darüber hinausgehendes Engagement erschöpfte sich nur zu leicht in ideologischen Grundsatzdebatten. Und so mussten ihre Funktionäre zusehen, wie sich vor ihren Augen eine neue Jugendbewegung formierte, die zwar bereit war, bei diversen Aktionen das organisatorische Knowhow der etablierten Jugendorganisationen der Parteien in Anspruch zu nehmen, die inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen parteigebundenen Berufsjugendglichen hingegen erst gar nicht beginnen wollte (bei diversen Protestaktionen war die Arbeitsteilung klar: Anmeldung, Bühne und Technik, allenfalls Öffentlichkeitsarbeit übernimmt die Partei; die neuen sozialen Bewegungen steuern die die Inhalte und die Teilnehmer*innen bei) .
Wir müssen uns öffnen
Trotz aller Vorurteile gegenüber den anarchistischen Radikalinskis, die sich einer strikten Parteiloyalität verweigerten, wurde unter den braven Parteisoldat*innen die Stimmen lauter, die darauf drängten, sich gegenüber diesen Gruppen zu öffnen und neue informelle Bündnisse zu versuchen. Die damaligen Jugendfunktionäre, unter ihnen das gesamte politische Personal, das später die Republik bestimmen sollte (Werner Faymann, Michael Häupl, Renate Brauner, Brigitte Ederer, Andreas Rudas, Peter Pelinka oder Ernst Woller auf Wiener Landesebene; Alfred Gusenbauer, Josef Cap, Reinhard Todt oder Doris Bures auf Bundesebene) versprachen sich davon einerseits ein verbessertes Standing innerhalb der Partei und anderes ein moderneres Erscheinungsbild, das nicht nur für Jugendliche aus traditionellen Arbeiter*innen-Milieus interessant sein könnte.
Das war die Geburtsstunde eines von der sj betriebenen Jugend- und Kulturzentrums, das sich von den vertaubten Jugendzentren der Stadt Wien abheben wollte. Schon die Wahl des Ortes war bezeichnend….
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