Diesmal in eigener Sache – Christoph Musik mit der Assistenz der Geschäftsführung beauftragt
Beim Einstellungsgespräch für die Position des neuen Geschäftsführers wurde ich von Christoph Musik gefragt, worin denn die treibende Kraft für die MitarbeiterInnen am EDUCULT-Projekt bestehe. Reflexartig habe ich mich in einer typischen „Aufzugssituation“ gesehen, um innerhalb von 30 Sekunden aufzuzählen, was EDUCULT auszeichnet: sein unverwechselbares Profil als außeruniversitäres Forschungsinstitut; die profunde Beschäftigung mit kultur- und bildungspolitischen Fragen, die nationale und internationale Begleitung und Evaluierung von kulturellen Bildungs- und Vermittlungsprojekten oder das professionelle Management von kulturellen Bildungsprojekten.
Dann aber habe ich mich zurückgelehnt, um auf die Frage grundsätzlicher zu antworten. Immerhin speist sich die eigentliche Energie, die wir für unsere tägliche Arbeit benötigen aus mehreren Quellen. Da ist zum einen die schlichte Notwendigkeit, unternehmerisch erfolgreich zu sein. Als nicht geförderte und somit – jedenfalls von politischen Vorgaben – unabhängige Einrichtung sind wir unmittelbar auf das Interesse von Freunden, Partnern und Kunden angewiesen, die sich bei der Verfolgung ihrer Ziele von uns begleiten lassen wollen. Sie haben unsere Leistungen schätzen gelernt und sehen es als eine Bereicherung an, ihre Ziele mit uns gemeinsam zu verfolgen und hoffentlich auch zu erreichen. Diese Bereitschaft des Zusammenwirkens erlaubt einen vielfältigen Austausch. Und wir erfahren auf immer aktuelle Weise, wo der Sektor steht, was die Akteure umtreibt und wo konkrete Interventionen von unserer Seite sinnvoll und notwendig sind, weil sie nachgefragt werden. Die vielen Inspirationen die wir dabei erhalten geben uns viel Kraft und Motivation.
Neben den unternehmerischen Ansprüchen verfolgen wir als ein gemeinnütziger Verein aber auch ideelle Ansprüche, die beide– zugegeben – in den letzten Jahren nicht immer einfach zur Deckung zu bringen waren. Immerhin geht es dabei um die sehr grundsätzliche Frage, wie „Kultur“ im Rahmen von Bildungsprozessen zeitgemäß verhandelt werden kann. Gerade im Anspruch der Emanzipation aller Beteiligten zeigt sich rasch eine gesellschaftspolitische Brisanz, wenn wir uns nicht auf die Vermittlung von „Kultur“ als ein Produkt beschränken wollen, sondern „Kultur“ als Ergebnis eines Kommunikationsprozesses begreifen, an dem alle Beteiligten aktiv beteiligt sind.
In der konkreten Umsetzung bedeutet dies zum einen die Mitwirkung an einem möglichst breiten, vielstimmigen kulturpolitischen Diskurs, der traditionelle Verfahren, „kulturelle Wahrheiten von oben“ zu verordnen, in Frage stellt. Unser diesbezügliches Anliegen besteht in der Mitwirkung an einer durchaus kontroversen, unterschiedliche Positionen gegeneinanderstellenden kultur-politischen Öffentlichkeit. Dabei erschöpfen sich unsere Überlegungen nicht in kulturbetrieblichen Effizienzvorstellungen (diese sind durchaus wichtig) sondern begreifen sich durchaus als (gesellschafts-)politische Interventionsversuche, die Konflikte nicht nur als ungewollte Störung, sondern zuallererst als eine Lernchance begreifen. Damit haben wir uns in einer tendenziell auf Harmonie ausgerichteten Szene nicht nur Freunde gemacht; aber auch Widerstand erzeugt Energie.
Aus diesen Ansprüchen ergibt sich auch eine methodische Konsequenz, die sich unmittelbar in unseren Forschungsansätzen zeigt. Diese möchten sich tunlichst nicht darauf beschränken, von außen einen weitgehend vorgerasterten Blick auf das Feld zu werfen, sondern sich einzulassen auf die jeweiligen Situationen. Das bedeutet auch, die Akteure aktiv einzubeziehen wenn es um die Auswahl des Materials ebenso wie seiner Analyse geht. Dabei zeigt sich, dass alle Beteiligten an gemeinsamen Lernprozessen beträchtliche Expertise einzubringen vermögen, wenn es um die Beurteilung der jeweiligen Lebens- und Arbeitsumstände geht. Damit sind es ihre Einschätzungen, die es gilt in einer Zusammenschau produktiv zu machen. Auch in diesen – auf Partizipation gerichteten Settings – erfahren wir immer wieder die unmittelbare Sinnhaftigkeit unseres Tuns, die die nötige Kraft gibt, um in diesem – zum Teil noch recht unwegsamen, weil wissenschaftlich wenig abgesicherten Gelände – weiter zu gehen.
Christoph Musik hat sich von einer solchen Beschreibung der EDUCULT spezifischen Energiequellen offensichtlich nicht abschrecken lassen. Stattdessen hat er mit Beginn des Oktobers begonnen, sich in die Agenden der laufenden Geschäftsführungstätigkeit einzuarbeiten. Nach einem umfassenden Auswahlverfahren haben wir uns für ihn als einen jungen ausgewiesenen Sozialwissenschafter mit besonderer Expertise im digitalen Medienbereich entschieden. Dazu bringt er einschlägige Projekterfahrung an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Kunst mit. Er ist erprobt in vielfältigen sozialwissenschaftlichen Methoden und kann damit nahtlos an die bisherige Forschungspraxis von EDUCULT anknüpfen.
Christoph Musik beginnt seine Tätigkeit vorerst als Assistenz der Geschäftsführung just im zehnten Jahr des Bestehens von EDUCULT. In dieser Zeit sind wir als ein institutionelles Unikat naturgemäß durch eine Reihe von Hoch und Tiefs gegangen und haben uns dabei doch ein unverwechselbares Profil als einer europäischen Facheinrichtung an der Schnittstelle von Kultur- und Bildungspolitik zu geben vermocht.
Als Gründer und Leiter von Beginn an freut mich diese Entwicklung sehr. Sie wäre nicht möglich gewesen ohne die aktive und engagierte Mitwirkung meiner KollegInnen, die mindestens so sehr wie ich an eine gute Zukunft von EDUCULT glauben und diese immer wieder neu auch wirklich werden lassen. Weil aber Erfolg der laufenden Weiterentwicklung bedarf, macht es Sinn, das operative Geschäft sukzessive in jüngere und doch organisatorisch und fachlich versierte Hände zu legen.
Mit der Bestellung von Christoph Musik wollen wir eine sukzessive Übergabe der operativen Geschäftstätigkeit organisieren, die es erlaubt, sich einzuarbeiten, die eigenen fachlichen Kompetenzen einzubringen und a la longue an der Weiterentwicklung des Unternehmensprofils mitzuwirken, mit dem EDUCULT auch in Zukunft optimal auf die Notwendigkeiten und Erwartungen unserer Partner und Kunden reagieren kann. Für mich bedeutet das hoffentlich nicht den Abschied, aber eine neue Verteilung der Aufgaben, die mich stärker in eine – soweit gewünscht und nachgefragt – unterstützende, begleitende und beratende, wohl auch unterrichtende Funktion bringen wird.
Es gibt viel zu tun!
EDUCULT durchlief in den letzten Monaten nicht nur klimatisch eine durchaus heiße Phase, die es uns ermöglichte, eine Reihe neuer Projekte zu beginnen. Besonders gefreut haben wir uns über den Zuschlag des Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank zum Projekt „Lernen in, mit und durch Kultur“ (,https://educult.at/featured/lernen-in-mit-und-durch-kultur/) in dem wir zusammen mit ausgewählten Schulen und Kultureinrichtungen, vor allem aber mit SchülerInnen selbst klären wollen, was kultureller Kompetenzerwerb bedeutet. Dabei interessiert uns vor allem, was junge Menschen selbst sagen, wenn sie darüber Auskunft geben, was sie gelernt haben, wenn sie sich an kulturellen Aktivitäten beteiligen.
Zusammen mit Partnern aus Spanien, Schweden, Norwegen, Kroatien und der Türkei beginnen wir ein gemeinsames EU-Projekt zum Thema „Access to Culture“. Auch hier geht es darum, den neuen kulturpolitischen Schwerpunkt „Zugang zu Kunst und Kultur“ im europäischen Vergleich eindeutiger zu fassen und für das kulturpolitische Handeln umsetzbar zu machen. Das auch und gerade vor dem Hintergrund eines – endlich – erwachten Interesses der Europäischen Union gegenüber diesem Thema. Vielleicht können wir so mithelfen, die Produktionslastigkeit traditioneller Kulturpolitiken zumindest zu relativieren und die kulturpolitische Aufmerksamkeit besser auf KulturproduzentInnen, -vermittlerInnen und –nutzerInnen zu verteilen.
Auch vom deutschen Staatsministerium für Kultur und Medien sind wir über die Bundesakademie Wolfenbüttel mit einem Auftrag zur Beobachtung ausgewählter Modellprojekte kultureller Bildung versehen worden. Dabei wollen wir in einigen Bundesländern der Frage nachgehen, welche Rückwirkungen die – mehr oder weniger – erfolgreiche Durchführung von Projekten kultureller Bildung auf bildungspolitische Entscheidungen hat, haben könnte bzw. haben sollte. Es ist dies ein erster größer angelegter Versuch, dem im Bereich der kulturellen Bildung grassierenden Prinzip der „Immer-wieder-neu-Erfindung-des-Rades“ entgegen zu wirken und statt dessen mitzuhelfen, die Erfahrungen bei der Durchführung einzelner Projekte „politikmächtig“ zu machen, etwa wenn es darum geht, kulturelle Bildung in die Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen z.B. im Bereich der Qualitätsprofile von Schulen zu integrieren.
Darüber hinaus haben uns Goethe-Institute mit der Evaluierung einzelner ihrer Projekte beauftragt. Neu dazugekommen ist ein laufendes Programm zur Fortbildung von KulturmanagerInnen aus dem arabischen Raum sowie ein Spezialprogramm des Goethe-Instituts Bratislava „X Wohnungen“, das im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt Košice den BesucherInnen die Beobachtung einer Reihe von künstlerischer Interventionen in ausgewählten Haushalten anbietet. Wir sollen nicht nur herausfinden, ob es dafür ein Publikum gibt, und wenn ja, wodurch es sich auszeichnet, sondern auch, welche Erwartungen es an die künftige Programmgestaltung des Goethe-Instituts gibt.
Noch in Vorbereitung ist ein Pilotprojekt, das wir zusammen mit der Österreichischen Industriellen Vereinigung durchführen wollen und das sich mit der Frage befasst, wie die Beschäftigung mit Kunst und Kultur organisiert werden soll, damit es auf das Interesse und die kreatürliche Neugierde junger Menschen stößt. Leiten lassen wir uns dabei von der These, dass dabei erworbene Einstellungen, Haltungen, aber auch Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht nur zur Persönlichkeitsbildung beizutragen vermögen, sondern darüber hinaus Potentiale und Qualitäten der jungen Menschen ins Licht rücken können, die auf den Arbeitsmärkten von Morgen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Unser Ziel ist es, mit diesen Beobachtungen Partner auch in den Reihen der Wirtschaft und Industrie für das Feld der kulturellen Bildung zu gewinnen, die mit Kultur nicht nur die Teilnahme an den Salzburger Festspielen verbinden, sondern zumindest ein klein wenig auch die Fähigkeit, von künftigen MitarbeiterInnen ihre zunehmend komplexere Umwelt mitzugestalten.
Ein Experiment der besonderen Art haben wir mit dem Projekt „Unternehmen Junge Kunst“ gestartet. Mit ihm wollen wir Studierenden der Universität für Angewandte Kunst die Gelegenheit geben, Kooperationen mit Unternehmen einzugehen. Um diese Art der „Anbahnung“ als nicht geförderte Einrichtung möglich zu machen setzen wir erstmals auf „Crowdfunding“. Sie haben auf Respekt.net die Gelegenheit, uns bei dieser Initiative zu unterstützen. Schon mit einem kleinen Beitrag sind Sie mit dabei. Die Auftaktveranstaltung mit einer Ausstellung der Arbeiten von insgesamt elf Studierenden findet in diesen Tagen am 17. Oktober ab 18:00 Uhr in den Räumen von EDUCULT statt. Sie können die Ausstellung auch zu den EDUCULT-Bürozeiten von 9 – 17 Uhr besuchen.
Und auch der Redewettbewerb „Sags Multi!“, den wir bereits zum fünften Mal zusammen mit dem Verein Wirtschaft und Integration ausrichten, wirft seine Schatten voraus. Ich gebe zu, es gehört immer wieder zu den berührendsten Momenten meiner Arbeit, die jungen Menschen über sich und ihre Weltsichten in einer Weise sprechen zu hören, die mir nicht nur höchsten Respekt abringt, sondern auch einen authentischen Einblick in ihre Lebensrealitäten gewährt, der alle kursierenden Stereotype in Frage stellt. Und dafür bin ich dankbar.
Es gibt also viel zu tun, für Christoph Musik, für uns alle. Und darauf freuen wir uns!
LETZTE BEITRÄGE
- Hilfe, die Retter nahen
- Kunst, Kultur und Grenzen – Warum Grenzen für ein lebendiges Zusammenleben notwendig sind
- Alles neu macht der Mai – Eine andere Zukunft des Kulturbetriebs ist möglich
- Hype um Chat GPT
- Die Autonomie der Kunst
- Liberale Bürgerlichkeit, hedonistische Massendemokratie oder antidemokratischer Autoritarismus
- Dürfen die das?
- Kulturpolitik in Zeiten des Krieges
- „Das Einzige, was uns zur Zeit hilft, das sind Waffen und Munition“
- Stehen wir am Beginn eines partizipativen Zeitalters? (Miessen)