Familie, bitte übernehmen Sie!
Als sich die Funktion von Schule von einem Tag zum anderen grundlegend änderte
„Eltern, die noch nie etwas von E-Learning gehört haben und nicht wissen, was das ORF-Spezialprogramm für Schulkinder überhaupt sein soll, sind sozio-ökonomisch schwachen Haushalten die Regel. Abgesehen davon müssen die Kinder und Jugendlichen daheim einen eigenen PC haben, um daran teilnehmen zu können. Die Eigenmotivation für Schule ist bei Pubertierenden ja generell nicht so hoch, wenn man auch noch keine Eltern hat, die dahinter sind, und stundenlang warten muss, bis der Bruder den PC freigibt sind die Chancen gleich null, dass Schule in Zeiten von Corona funktionieren wird.“ (Melisa Erkurt in Falter 12/20).
„Ab nächster Woche findet an den Schulen kein Unterricht statt“, verkündete Bundeskanzler Sebastian Kurz am 11. März. Diese Entscheidung kam für alle Beteiligten überraschend, gab es doch im Lauf der 75-jährigen Geschichte der Zweiten Republik keinen vergleichbaren Präzedenzfall.
Also fanden sich von einem auf den anderen Tag rund 1,2 Millionen Schüler*innen zusammen mit ihren rund 120. 000 Lehrer*innen zu Hause wieder. Für all diejenigen, deren Eltern sie nicht beaufsichtigen können, sollten einzelne Schulen als Betreuungseinrichtungen offen bleiben. Die meisten Schüler*innen aber fanden sich ab sofort Tag und Nacht im gemeinsamen Haushalt mit ihren Eltern wieder. Dort sollten Kinder und Jugendliche auf unbestimmte Zeit ihr virtuelles Klassenzimmer aufschlagen und sich bestmöglich auf ihre neuen Lernumgebungen einstellen.
Zur selben Zeit begannen viele Eltern, die Wohnung zum Home-Office umzufunktionieren. Andere mussten erst einmal den Schock der Kurzarbeit oder gleich der Arbeitslosigkeit verdauen während eine dritte Gruppe weiterhin außer Haus gehen sollten, um unsere überlebensnotwendige Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Weil die Großeltern als Hochrisikogruppe ausfällt, bleibt ihnen – sofern sie Ihre Kinder nicht der schulischen Betreuung ausliefern wollten – die Sorge, was diese in der unbeaufsichtigten Zeit anstellen würden.
Was wir hier erleben ist nicht mehr und nicht weniger als ein fundamentaler Wandel der Funktion von Schule in der Gesellschaft von einem Tag auf den anderen. War diese bislang darauf gerichtet, den Eltern schulpflichtiger Kinder (und darüber hinaus) das Erziehungsmonopol zu entziehen und dafür ein umfassendes Bildungsversprechen abzugeben, so sieht sich Schule aufgrund der aktuellen Krisensituation nicht in der Lage, diesen Deal aufrecht zu erhalten. Also gibt sie im Zuge staatlicher Einschränkungen der persönlichen Freiheiten den Erziehungsauftrag zumindest temporär zurück an die Eltern, nicht ohne dies sowohl mit Angeboten aber auch Verpflichtungen zu begleiten………..
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Bild: wikimedia:”Grundschule Haus St Marien Neumarkt – Klassenzimmer 019″/ DALIBRI. CC BY-NC-SA.
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