Geschlechterparität
In einem großen österreichischen Kulturbetrieb, der sich in besonderer Weise um den künstlerischen Nachwuchs bemüht, hält sich der Leiter zugute, darauf zu verzichten, mit seinen Titeln angesprochen zu werden; er selbst spricht seine Mitarbeiterinnen mit Vornamen an.
Während Sabine Derflinger gerade ihren Film über Johanna Dohnal herausbringt, wird die Kurz-Vertraute Susanne Raab zur neuen Kanzleramtsministerin, zuständig für Integration und Frauen. Beide Frauen arbeiteten sich am Begriff des „Feminismus“ ab. Während Johanna Dohnal die Zuschreibung als „Feministin“ zum politischen Programm erhoben hat, lehnt die Kurz-Vertraute Susanne Raab diese Zuschreibung gleich ganz ab. Ihre Bestellung macht deutlich, welchen fundamentalen ideologischen Rückschritt staatliches Handeln im Bereich der Gleichbehandlung in Zeiten einer rechten Hegemonie genommen hat.
In einer Anfrage der IG Kultur analysierte Brigitte Theißl vom Magazin an.schläge das Regierungsprogramm auf ihre frauenpolitischen Auswirkungen. Sie ortet zwar einige „positive Ansatzpunkte, allerdings sehr unkonkret, wie beispielsweise eine Aufstockung des Budgets, jedoch ohne konkrete Zahlen“. Zugleich konstatiert sie Signale der neuen Bundesregierung, die in eine ganz andere Richtung gehen würden. So kritisiert sie die Zusammenlegung der Frauenagenden mit den Integrationsagenden, die – ganz im Sinn des alten türkis-blauen Regierungsprogramms – daraus hinauslaufe, Gleichberechtigungsansprüche der autochthonen Bevölkerung zu aller erst gegen Zuwanderer verteidigen zu müssen.
Vor einem solchen Hintergrund wurde ich vor ein paar Tagen von einer Studierenden des Instituts für Kulturmanagement und Genderstudies an der Musikuni Wien zur Lage der Frauen im Kulturbetrieb gefragt. Auch wenn ich Dohnals These zustimme, dass Frauenemanzipation immer auch Männeremanzipation ist, musste ich ihr gegenüber zugeben, dass es mir gar nicht leicht fällt, das Gender-Thema aus einer scheinbar distanzierten Sicht zu beobachten. Immerhin wurde ich – wenn auch zufällig – als Mann geboren und wohl als solcher sozialisiert. Zumindest strukturell bin ich also vordergründig Nutznießer ungleicher Gender-Verhältnisse und so nur sehr bedingt in der Lage, über eine Menschengruppe etwas auszusagen, der ich nicht angehöre (Dohnals Credo: Nicht für die Frauen sondern mit den Frauen!). Und ich arbeite doch gerne mit Frauen zusammen (jedenfalls bei weitem lieber als in abgeschotteten Männerzirkeln). Also kann ich mich zwar in meiner eigenen Rollenzuschreibung in Frage stellen, die Artikulation von Forderungen, die sich aus der, sei es fremd- oder selbstbestimmten politischen Zuschreibung der Rolle von Frauen ergeben, steht mir nicht zu. So verstehe ich Feminismus.
Der Kulturbetrieb als uneinnehmbare Festung eines Old-Boys-Network?
Also habe ich mit dem einen oder anderen Blitzlicht an eigenen Erfahrungen geantwortet, die sich allenfalls verallgemeinern lassen. Sehr gut in Erinnerung ist mir meine Teilnahme an einem der letzten Jahrestagungen des Deutschen Bühnenvereins, die sich erstmals mit dem Thema Musikvermittlung beschäftigt hat. Am Vormittag fand ich mich inmitten einer Versammlung von älteren Männern, allesamt verdiente Kulturfunktionäre nahe an der Pensionsgrenze (damit Menschen so wie ich), die in ihren grauen Anzügen das Geschehen bestimmten. Schon in der physischen Präsenz wurden die Machtverhältnisse sinnlich wahrnehmbar……
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