Heilsalbe oder Stachel im Fleisch des Kulturbetriebs?
Es war für viele ein denkwürdiges Ereignis, als sich 2018 in Halle an der Saale über 300 Orchestervertreter*innen im Rahmen der jährlichen Orchesterkonferenz erstmals mit dem Thema Musikvermittlung beschäftigt haben. Mit der heterogenen Zusammensetzung der Teilnehmer*innen hätten die bestehenden Differenzen innerhalb dieses Arbeitsfelds nicht symbolträchtiger dargestellt werden können. Während im plenaren Setting am Vormittag in die Jahre gekommene Männer in grauen Anzügen das Gespräch bestimmten über die Notwendigkeit, aus schieren Überlebensgründen neben dem Stammpublikum bei bisher vernachlässigten Gruppen aufzutreten, bot sich in den Arbeitsgruppen danach ein völlig anderes Bild. Dieses wurde Großteils von jüngeren Frauen beherrscht, die ihre konkreten Tätigkeiten als Vermittlerinnen zum Thema machten. Stoff dafür fand sich reichlich. EDUCULT hatte kurz zuvor für das Netzwerk Junge Ohren Recherchen zu den Arbeitsbedingungen von Musikvermittler*innen gemacht, die den prekären Charakter dieses neuen Berufsfeldes deutlich haben werden lassen.
Die Diskussion um die kulturpolitischen Möglichkeiten und Grenzen von Vermittlung beschäftigen den Kulturbetrieb seit nunmehr fast fünfzig Jahren. Geboren aus den kulturpolitischen Programmen der 1970er Jahren einer „Kultur für alle“ versucht seither eine sich gegen manche Widerstände etablierende Berufsgruppe gelingende Beziehungen zwischen Kunst, Künstler*innen und dem großen Rest der Gesellschaft zu stiften.
Vorwurf I: Vermittlung ist ein parasitäres Unternehmen, das den Primat der Kunstproduktion irritiert
In ihrem Bemühen, vor allem die Relevanz des etablierten Kulturbetriebs bei den Menschen, die keine unmittelbare Affinität zu seinen Angeboten haben, zu erhöhen, sehen sich Vermittler*innen zumindest drei massiven Abwehrhaltungen gegenüber. Die erste kommt aus dem Kulturbetrieb selbst, wenn Künstler*innen mit der Implementierung von Vermittlungsprogrammen eine neue Konkurrenz wittern. Vermittler*innen würden für sich beanspruchen, bei der Interpretation ihrer Hervorbringungen mitreden zu wollen. In der Regel handle es sich bei ihnen um verkappte Künstler*innen, die es nicht geschafft hätten, sich künstlerisch zu realisieren. Also würden sie versuchen, trotz dieser Defizite, auf einem selbst geschaffenen Ersatzfeld doch noch die künstlerische Bühne zu betreten. Gute Kunst aber, so das Argument der Systemerhalter*innen, verstünde sich von selbst und bedürfe keiner Vermittlung. Diese laufe in ihrer Erklärungswut doch nur darauf hinaus, den eigentlichen künstlerischen Gehalt zu verwässern und damit seine Wirkung zu schmälern. Dazu komme der ganz pragmatische Umstand, dass die Vermittler*innen einen immer größeren Teil des Förderkuchens für sich beanspruchen würden. Damit würden Mittel, die für die eigentliche künstlerische Arbeit wesentlich besser eingesetzt wären, zweckentfremdet.
Vorwurf II: Die Pädagogik kann es besser
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Bild: Collage ©DID
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