Ich bin’s, Dein*e Nicht-Besucher*in
Wie geht es Ihnen, wenn man Sie als typische*n „Nicht-Besucher“ bzw. „Nicht-Besucherin“ anspricht? Fehlt Ihnen etwas, fühlen Sie sich defizitär, fühlen Sie sich überhaupt angesprochen? Oder sind Sie gar stolz darauf? Wie immer Sie zu dieser Zuschreibung stehen, als Nicht-Besucher*in befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Sie teilen diese Schublade mit der großen Mehrheit der Bevölkerung.
Aber um was geht es eigentlich? Was wird hier nicht besucht? Die Rede ist vom sogenannten „Kulturbetrieb“, damit einer spezifischen Infrastruktur, die unter dem schwammigen Label „KunstundKultur“ spezifische Angebote an die Öffentlichkeit richtet. Gemeinhin werden damit Museen und Ausstellungen, Opern-, Tanz- und Theaterhäuser, Konzertsäle, darüber hinaus Kinos sowie Spezialeinrichtungen wie Literaturhäuser, Design- und Architekturzentren aber auch nicht ortsgebundene Angebote von Kulturinitiativen zusammengefasst. Spätestens mit dem Aufkommen von sub- und alternativkulturellen, jedenfalls freien Kulturszenen lässt sich der „Kulturbetrieb“ immer schwerer fassen; mit immer neuen Innovationen vor allem in den digitalen Medien fransen jegliche Systematisierungsversuche immer weiter aus und machen es schwer, noch einmal eine kategoriale Trennung von Besucher*innen und Nicht-Besucher*innen vorzunehmen. Und selbst profunde Kenner*innen der kulturellen Szene haben es schwer, Sie mit Ihrem kulturellen Verhalten entsprechend einzuordnen.
Audience Development – Auf der Suche nach dem*der idealen Besucher*in
Gerade weil der Kultursektor und die mit ihm verbundenen Besucher*innen-Gewohnheiten in den letzten Jahren so unübersichtlich geworden ist, hat sich ein neuer Fachzusammenhang des „Audience Development“ herausgebildet. Ursprünglich entstanden im Bedarf, neue, möglichst zielgruppenspezifische Marketingstrategien zu entwickeln, repräsentiert Audience Development mittlerweile eine vorsichtige kulturpolitische Trendwende von der Angebotsseite hin zur Nachfrageseite. Das aber geht nur, wenn man mehr über die Nachfrager*innen weiß. Dazu gehört auch, sie nicht nur als eine anonyme Masse zu verhandeln, der bestimmte Eigenschaften zugesprochen werden, sondern sie als dynamischen Ko-akteur des kulturellen Geschehens zu begreifen. Entsprechend stieg der Bedarf an Daten, die begründbare Annahmen erlauben, wer, warum und unter welchen Bedingungen bereit ist, das Angebot des Kulturbetriebs anzunehmen – und wer nicht.
Das Ergebnis war eine Vielzahl an Vorhaben zur „Besucherforschung“, die allesamt versuchten, den*die für das jeweilige Kulturangebot typischen Besucher*in zu identifizieren, um ihm*ihr auf möglichst gesicherter Datengrundlage die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen, um seinen*ihren kulturellen Dispositionen möglichst einfach und bequem in der Realität umsetzen zu können. So sehr sich die Studienergebnisse im Detail unterscheiden so eint sie doch ein demokratisches Ärgernis: Sie weisen – übrigens seit vielen Jahren weitgehend ungebrochen – in ihrer Gesamtheit aus, dass sich der*die typische Besucher*in vor allem von öffentlich (co-)finanzierten Kultureinrichtungen vor allem in Punkto Einkommen, Wohlstand, Bildungsvoraussetzung und zunehmend auch Genderzughörigkeit vom Rest der Gesellschaft deutlich abgrenzt. Daran haben ganz offensichtlich die vielfältigen Maßnahmen der kulturellen Bildung und Vermittlung nur peripher etwas zu ändern vermocht. Ein durchaus prekärer Befund, der mittlerweile die Gefahr einer umfassenden Legitimationskrise, etwa im Theaterbereich, erkennen lässt…………………
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Bild: Kaiserkorso ©Torben* (Flickr)
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