Kulturpolitik in Zeiten des Krieges
Hat die österreichische Kulturdiplomatie nach der Wende Fehler gemacht? War man zu optimistisch Putin gegenüber?
Vom US-amerikanischen Politikwissenschaftler Milton Cummings stammt die Definition von Kulturdiplomatie, „den Austausch von Ideen, Informationen, Werten, Systemen, Traditionen, Überzeugungen und anderen Aspekten der Kultur mit der Absicht, das gegenseitige Verständnis zu fördern“. Daraus hat sich in den letzten Jahren in einer neuen Generation der Kulturdiplomatie ein neues Selbstverständnis kulturpolitischen Handelns entwickelt, wonach es in diesem Fachbereich weniger um Projektion und Unidirektionalität als vielmehr um Zuhören und Dialog geht.
Im Vergleich zu diesem internationalen Trend ist die österreichische Auslandskulturpolitik weitgehend alten Traditionen verhaftet geblieben. Ihren zentralen Akteur*innen geht es ungebrochen (oft mit bescheidensten Mitteln) darum, „österreichische Kultur“ im Ausland zu präsentieren und abfeiern zu lassen. Die Versuche, den wechselseitigen Informations- und Erfahrungsaustausch zu befördern oder gar (künstlerische) Kooperationen zu stiften, bleiben hingegen die Ausnahme. Als Land mit nichtkolonialer Vergangenheit zeigt Österreich als im Gegensatz zu anderen Ländern mit dem Argument einer immer wieder neu propagierten „Kulturnation“ nur wenig „Weitsicht“, wenn es um die Überwindung nationaler Kulturgrenzen geht.
Und so bleibt die kulturpolitische Aufgabe, die österreichische Bevölkerung mehr über die kulturellen Entwicklungen vor allem in den mittel- und osteuropäischen Nachbarländern erfahren zu lassen, völlig unterentwickelt.
Beispielhaft führt Deutschland im Rahmen der Goethe-Institut gerade vor, wie das gehen könnte.
So wurde nach der ersten Okkupationswelle im Osten der Ukraine eine „Roadmap für kulturelle Entwicklung in der Ukraine“ erstellt, um den Kulturbetrieb zu modernisieren und professionelle Zugänge zu m Kulturmanagement zu ermöglichen. Dazu wurde die deutsche Öffentlichkeit mit aktuellen Situationsberichten befasst und auch der Gedankenaustausch mit ukrainischen Künstler*innen gesucht.
Insgesamt zeichnet sich die österreichische Auslandskulturpolitik spätestens nach 1989 durch eine weitgehende Konzeptlosigkeit aus. Es ist zu einer Spielwiese für einige „kulturverliebte“ (Sebastian Kurz) Diplomat*innen verkommen ohne jegliche konkrete Wirkungsabsicht, – die über längst obsolete Vorstellungen aus den 1950er Jahren hinausreicht – das Image Österreichs in der Welt irgendwie verbessern zu können.
Dies erweist sich angesichts der aktuellen Skandalisierung einzelner Künstler*innen bzw. Kulturinstitutionen, die man im Zuge der „Entpolitisierung der Kulturpolitik“ auf die Kulturmärkte von Angebot und Nachfrage (vor allem im Bereich des internationalen Tourismus verwiesen hat) wahrgenommen hat, umso verhängnisvoller, als jetzt jegliches politisches Korrektiv fehlt – die Stille der Kulturpolitik (mit Ausnahme von Kulturstadträtin Kaup-Hasler im Zusammenhang mit den Entscheidungen des Konzerthaus-Intendanten Matthias Naske rund um ein Benefizkonzert mit Teodor Courrentzis) ist unüberhörbar….
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