Kulturpolitik und Rechtspopulismus in Österreich
Bei der jüngsten Tagung der Akademie Loccum zum Thema „Kulturpolitik und Rechtspopulismus“ war ich eingeladen, eine Einschätzung zur österreichischen Situation zu geben. Bei den deutschen Veranstaltern mag dabei die Hoffnung mitgespielt haben, aus einer Analyse der österreichischen Verhältnisse könnte der deutsche Kulturbetrieb Schlussfolgerungen auf mögliche Umgangsweisen mit rechtsnationalen und rechtsradikalen Kräften in Deutschland ziehen.
Bei einem genaueren Blick auf die beiden politischen Systeme in Bezug auf die Einbeziehung von Rechtspopulisten zeigen sich aber unschwer beträchtliche Unterschiede. Während in Deutschland die demokratischen Kräfte nach wie vor weitgehend in ihrer Haltung übereinstimmen, sich nicht mit rechten Kräften zu verbinden (das jüngste Chaos bei der Wahl des Thüringischen Ministerpräsidenten ist dafür ein eindrucksvoller Beleg) haben sich ihre Schwesternparteien in Österreich längst damit abgefunden, mit den Rechtspopulisten in unterschiedlichen Konstellationen zusammenzuarbeiten.
Die „Kulturgroßmacht“, in der die Beteiligung von Rechtspopulisten an der Macht den Normalfall darstellt
Und so stehen wir vor einer erstaunlichen Situation, in der der Kleinstaat Österreich zwei eigentlich unvereinbare Facetten zeigt, als „Kulturgroßmacht“, die weltweit ihresgleichen sucht, einerseits. Und als Land, in dem die Rechtspopulisten erstmals hoffähig gemacht wurden, um nicht erst heute das politische Geschehen nachhaltig mitzubestimmen andererseits.
Zum Ausdruck kommt hier eine international unvergleichliche kulturpolitische Erfolgsgeschichte. Sie begründet sich auf der Entscheidung der führenden konservativen Politiker nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, die beiden hauptsächlichen Ressourcen des Landes, Natur und Kultur, offensiv zur Imagebildung zu nutzen. Tief in den Fundus des österreichischen kulturellen Erbes greifend, gelang eine umfassende Selbststilisierung als „Land der Sänger und Geiger“, um so das tiefreichende Involvement von Österreicher*innen in die Gräuel des Nazi-Terrors vergessen zu machen. Also setzten die führenden Kulturpolitiker darauf – nachdem Österreich für eine kurze Zeit „von den Träumen eines Irren“ abgehalten wurde, seiner eigentlichen Bestimmung nachzukommen – das Land mit seiner großen kulturellen Vergangenheit zu identifizieren und diesen Umstand national und international unter die Leute zu bringen. Dass es dieselben politischen Kräfte waren, die sich darin überboten, ehemalige Nationalsozialisten in ihre Reihen aufzunehmen und gleichzeitig all denjenigen, die angesichts des Nazi-Terrors ins Exil gehen mussten – unter ihnen alle jüdischen Künstler*innen – die Mitwirkung an der Neugründung ihrer Existenz in Österreich verweigerte, wurde dabei freilich nicht an die große außenpolitische Glocke gehängt.
Vieles spricht für die Annahme, dass mit dieser „austriakischen Restauration“ (Gerhard Fritsch) ein Konstitutiv der österreichischen Gesellschaft erneuert wurde, das sich bis in die Zeit des „Europäischen Konzerts“ während des Wiener Kongresses zurückverfolgen lässt. Schon damals setzten Fürst Metternich und seine Entourage auf eine, mit Kultur getränkte Restauration feudaler Herrschaftsformen, um dem damaligen Europa den Geist der Französischen Revolution auszutreiben. Die „Wiener Klassik“ bot sich hierfür an (Der Musikwissenschafter Esteban Buch macht in seiner Studie „Beethovens Neunte“ deutlich, welch zentrale Rolle dem Jubilar bei den mannigfaltigen Kulturprogramm des Kongresses zugekommen ist). In diese (kultur-)politische Strategie reiht sich auch das Scheitern der Bürgerlichen Revolution 1848 ein, das den aufstrebenden bürgerlichen Kräften für den Rest des Jahrhunderts die politische Teilhabe verwehren sollte. Und ihnen nahelegte, ihre gesellschaftliche Repräsentanz vor allem in der Kultur zu suchen. Das hinderte sie nicht darin, mit Leitfiguren wie Georg von Schönerer von Beginn an ihre deutschnationalen Ideen stark antisemitisch auszurichten…..
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Bild: pxhere/ flxguticar. CC BY-NC-SA.
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