Sinnlicher kann man es nicht ausdrücken
Nach einer weiteren wunderbaren Aufführung von „Verrücktes Blut“ im Palais Kabelwerk in Wien Meidling fand vorigen Montag eine Podiumsdiskussion zu den bisherigen Ergebnissen der Prozessbegleitung zu postmigrantischen Positionen in der Wiener Theaterszene statt.
Das Stück nimmt eigentlich alle Probleme auf, die von unseren GesprächspartnerInnen in den letzten Monaten immer wieder angesprochen worden sind. Mein Eindruck: Sinnlicher und damit unmittelbar einprägsamer kann man die den sogenannten postmigrantischen Diskurs bestimmenden Widersprüche nicht verhandeln. Und doch macht es für die kulturpolitische Entscheidungsfindung Sinn, das, was die Beteiligten künstlerisch zurzeit umtreibt, auch in eine Sprache der teilnehmenden Beobachtung zu fassen.
Als Einstieg in die Diskussion mit Nurkan Erpulat, Asli Kislal, Carolin Vikoler und Harald Bosch habe ich versucht, einige der wesentlichen Thesen vorzustellen, die uns unsere Gesprächs- und Interviewpartner vermittelt haben.
Zu Beginn lohnt es, sich nochmals daran zu erinnern, dass Wien traditionell eine Einwanderungsstadt ist. Seit der Zeit der Donaumonarchie sind immer neue Wellen an ZuwandererInnen in die Stadt gekommen und haben wesentlich dazu beigetragen, dass Wien so geworden ist, wie sich die Stadt heute darstellt. Die Namen der führenden KulturpolitikerInnen: Mailath-Pokorny, Hawlicek, Busek, aber auch Swoboda, Cap oder Vranitzky sind dafür ein eindrücklicher Beleg.
Das hat sich auch mit der verstärkten Zuwanderung türkischer und jugoslawischer seit den 1960er und 1970er Jahren nicht grundsätzlich geändert. Geändert aber haben sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die allesamt auf verstärkte Konkurrenz- und Verdrängungsbedingungen hinauslaufen. Das Ergebnis ist ein zunehmendes Auseinanderklaffen von wenigen Krisengewinnern und den vielen Krisenverlierern auch in Österreich. Ein wunderbarer Nährboden für die politische Instrumentalisierung verschiedener ethnischer Zugehörigkeiten (vor allem, wenn sie als Nachkommen historisch unsicherer Kantonisten interpretiert werden können: Die Türken und die Belagerung Wiens; die Serben und die Ermordnung des Thronfolgers,…), eine Fähigkeit, die vor allem Rechtspopulisten blendend verstehen und es auf der Grundlage diffuser Ressentiments in von sozialem Abstieg bedrohten Bevölkerungsteilen schaffen, die wachsenden sozialen Probleme zu „kulturalisieren“ und damit als quasi naturwüchsig erscheinen zu lassen.
Die Folge ist, dass Diskriminierung von ZuwanderInnen entlang einer Hierarchie von Hautfarbe, Name und Sprache statt findet. Das geht soweit, dass politisch motivierte Zuschreibungen ethnischer Zugehörigkeit Diskriminierung selbst dort erzeugt, wo ihre AdressatInnen sich längst als ganz normaler BürgerInnen der Stadt sehen.
Dieser gesellschaftliche Skandal bildet sich auch im Bereich der Kunstproduktion ab, wobei unterschiedliche Kunstsparten in unterschiedlicher Weise betroffen erscheinen. Während man kulturelle, ethnische oder sonstige Diversifizierung im Tanz- oder Musikbereich mittlerweile als selbstverständliche Voraussetzung erfolgreicher, weil international vermarktbarer Kunstproduktion begreift, stellt der Theaterbereich einen Sonderfall dar. Ihm kommt – in Österreich noch mehr als in anderen Ländern – ein besonderer Symbolcharakter zugunsten der Aufrechterhaltung einer national-konservativen Haltung zu.
Dazu gehört auch, dass die wachsende ethnisch-kulturelle Diversifizierung, die Wien auszeichnet, seitens der offiziellen Wiener Kulturpolitik die längste Zeit kein Thema war; ein Umstand, der den Rechtspopulisten lange Zeit eine nahezu unbeschränkt nutzbare Spielwiese zur Produktion von politischem Kapital (samt Anhängerschaft) eröffnet hat. Dies hat sich mit dem Abschluss des rot-grünen Regierungsübereinkommens programmatisch geändert, sodass nunmehr integrations- und kulturpolitische Fragen stärker aufeinander bezogen werden können.
Zum Stand postmigrantischer Produktionsweisen
Wenn wir produktionsseitig auf den Wiener Theaterbetrieb schauen, dann zeigt sich unmittelbar, wie sehr dieser den Stand gesellschaftlicher Ungleichheit widerspiegelt, ja zur Kenntlichkeit verzerrt: Entlang einer streng hierarchischen Organisation steht einer kleine Anzahl von hoch privilegierten Theaterschaffenden eine große Mehrheit an KünstlerInnen in prekären Beschäftigungsverhältnissen gegenüber. Trotz der Existenz von zumindest 50 Bühnen in Wien können viele langzeitösterreichische SchauspielerInnen ein Lied über diesen sehr schwierigen Arbeitsmarkt singen, der auch von der öffentlichen Hand immer weniger positiv beeinflusst werden kann.
Das Auftreten von AkteurInnen mit migrantischem Hintergrund ist damit nicht die Ursache des Problems, es ist aber dazu angetan, bestehende Ungleichheiten weiter zu verschärfen.
Nach unseren Recherchen bieten sich drei Lösungen an, mit dieser verschärften Ausgangssituation um zugehen:
- Negierung, dass das Auftreten KünstlerInnen mit Migrationshintergrund überhaupt ein Problem darstellt („Das geht mich nichts an. Mir geht es ausschließlich um künstlerische Qualität“)
- Schaffung eines zusätzlichen Diskriminierungsarguments („Die können ja nicht einmal ordentlich die Sprache“)
- Nutzung der spezifischen Fähigkeiten und Kenntnisse angesichts eines wachsenden Innovationsbedarfs (der zumindest formal von den öffentlichen Fördergebern offensiv gefördert wird)
Im Wunsch, die Situation zu verbessern, sind eine Reihe von Lösungsvorschlägen gemacht worden. Sie reichen von Quotenregelungen, dem Schaffen von Sichtbarkeit und von Anreizen zur Öffnung bestehender Betriebe, der Öffnung eigener Räume, der Bereitstellung von Servicestellen, der Beauftragung eines „Kulturpolitischen Migrationsbeauftragten“, einer verbesserten Nachwuchsförderung oder der Veranstaltung spezieller Aktivitäten, …
Ihnen allen wohnt ein prinzipieller Widerspruch inne.
Während die eine Gesprächsfraktion den Wunsch äußert: „Wir wollen kulturpolitisch so behandelt werden wie alle anderen“ tendiert die andere dazu „zumindest temporär in Form einer positiven Diskriminierung besonders behandelt zu werden“.
Während erstere zu vermeiden sucht, sich entlang einer spezifischen ethnisch-kulturellen Zugehörigkeit zu deklarieren weil sie damit fürchtet, dass sie mit dieser Form der migranten Selbst- und Fremdzuschreibung zusätzlicher Diskriminierung ausgesetzt ist, nimmt zweitere die Herausforderung an ( „Ich bin Türke, so what“), um auf dieser Grundlage – wie das zur Zeit Nurkan Erpulat als positive Ausnahmeerscheinung vormacht – den hermetischen Theaterbetrieb sukzessive zu unterwandern.
Mit diesen unterschiedlichen Lösungsstrategien wird unschwer deutlich, dass es so etwas wie eine einheitliche „postmigrantische Szene“ mit gemeinsam artikulierbaren Zielvorstellungen, die sich in kulturpolitische Maßnahmen gießen lassen würden, nicht gibt. Statt dessen haben wir es mit einer vielfältigen Gemengelage unterschiedlicher Erwartungen an die offizielle Kulturpolitik zu tun. Entsprechend wird sie es schwer haben, „es allen Recht zu machen“. Sie könnte statt dessen versucht sein könnte, das bewährte Konzept von „divide et impera“ auszupacken.
Immerhin schaut es im Moment so aus, dass die Bereitschaft, sich als „Postmigrant „zu deklarieren, zumindest enden wollend ist. Statt dessen überwiegt die Vorstellung: „Ich bin Künstler, nicht postmigrantischer Künstler“, eine Haltung, die eine gemeinsame Interessensartikulation nicht eben erleichtert.
Die Gründe dafür sind mehr als nachvollziehbar. Immerhin wurden spezifisch (post)migrante KünstlerInnenpositionen bislang nur in Ausnahmen kulturpolitisch ernst genommen und stattdessen nur zu gerne entlang obiger Argumentation „Alle Migranten, KünstlerInnen hin oder her, sind zuallererst soziale Problemfälle“ an die Sozialpolitik verwiesen (Viele unserer Interviewpartner beklagten ein ermüdendes Hin- und Herschieben zwischen kultur- und sozialpolitischen Zuständigkeiten).
In dem Zusammenhang ist uns aufgefallen, dass die Repräsentation unterschiedlicher Theatertraditionen (mit Ausnahme des Interkulttheaters) in der Diskussion weitgehend ausgeklammert geblieben ist. Weit und breit kein Ruf nach – in anderen Metropolen selbstverständlicher – Vielfalt asiatischer, afrikanischer etc. Theaterformen und ihren eigenen räumlichen Repräsentationsformen.
Und noch etwas hat uns stutzig gemacht. Das war die gewisse Neigung, unter sich bleiben zu wollen, ein Umstand, der es vor allem den VertreterInnen der großen Wiener Kultureinrichtungen leicht macht, den bisherigen Stand der „postmigrantischen Positionen“ nicht ganz ernst zu nehmen und sie statt dessen als minoritäre oder gar inzestuöse Praktiken einiger weniger Freaks zu diskriminieren.
Und wie schaut es auf der Rezeptionsseite aus?
Die mühsame Konstruktion eines postmigrantischen „Wir“ findet nicht im luftleeren Raum statt. Wie die Spezifika der Produktionsseite verweist auch die Rezeptionsseite auf die gesellschaftlichen Gesamtverhältnisse, die zuletzt stark von hegemonialen Interpretationen eines politisch rechtspopulistischen und damit diskriminierungsfreudigen Spektrums geprägt wurden.
Diese diskriminierenden Generalzuschreibungen als problembelastete Sozialfälle lassen unter den Tisch fallen, dass sich gerade unter den ZuwanderInnen viele besonders aufstiegs- und bildungswillige Menschen finden, die gerne in der Mitte der Gesellschaft ankommen und als solche einfach nur Gebrauch von einem sie ansprechenden Kultur- und Theaterangebot machen wollen, oder – aus welchen Gründen auch immer und wie die Mehrheit der autochthonen WienerInnen – auch nicht.
In diesem Sog haben sich in den letzten Jahren spezifische migrantisch Kulturszenen entwickelt, die sich ihr Programm weitgehend autonom organisieren, ohne dass die Wiener Kulturpolitik Einfluss darauf nehmen würde. Was da – zum Teil mit erheblichem Aufwand – passiert, wird in der Regel von der Wiener Kulturverwaltung (und damit auch von weiten Teilen auch der kulturinteressierten Öffentlichkeit) überhaupt nicht zur Kenntnis genommen.
Nun gilt Wien als Theaterstadt par excellence, dessen Einrichtungen sich lange Zeit keine Sorgen um entsprechende Akzeptanz beim Publikum machen mussten. Dementsprechend schwach ausgeprägt blieben lange Zeit alle Bemühungen, mehr über das Publikum zu erfahren, es besser kennen und verstehen zu lernen, um auf diese Weise neue Kommunikationsformen zwischen Angebot und Nachfrage zu entwickeln.
Das Ergebnis ist die weitgehende Nichtexistenz eines aufgeklärten Verhältnisses zwischen dem Wiener Theaterbetrieb und seinem potentiellen postmigrantischen Publikum. Alle bisherigen gut gemeinten Versuche von audience development (speziell in Richtung postmigrantischer Zielgruppen, aber auch anderer) sind bislang im Anfangsstadium stecken geblieben und haben auch keine Motivation durch die offizielle Kulturpolitik gefunden (die sich in der Bewertung in der Regel auf Auslastungszahlen beschränkt). Das aber bedeutet, dass die Wiener Theatereinrichtungen bislang keine klaren Vorstellungen von ihren Zielpublika entwickelt haben (und es kulturpolitisch auch nicht mussten) und so auch keine besondere Sensibilität zur geänderten demographischen Zusammensetzung der Wiener Bevölkerung entwickelt haben.
Was das Theater leisten kann
In der aktuellen Beschäftigung mit postmigrantischen Positionen wird gerne unter den Tisch fallen gelassen, dass die erste Voraussetzung für die Weiterentwicklung einer diversifizierten Wiener Theaterlandschaft schlicht darin besteht, gutes, aufregendes, attraktives Programm zu machen, das die BesucherInnen anspricht (weil es die gesellschaftlichen Widersprüche, denen sie ausgesetzt sind, auf künstlerische Weise widerspiegelt). Dass das geht, zeigt „Verrücktes Blut“ auf ebenso anschauliche wie unmittelbare Weise (und so ist es nicht verwunderlich, dass die Regisseurin Asli Kislal das Stück mittlerweile in Linz zusammen mit einer „postmigrantischen“ Schulklasse aus Linz erarbeitet und mit großem Erfolg bei der örtlichen Bevölkerung zur Aufführung gebracht hat)
Vieles spricht dafür, dass die Wiener Theater gut daran täten, ein neues und besseres Verhältnis zu ihren Publika zu finden. In diesem Zusammenhang ein Theaterdirektor im Interview noch einmal in aller Deutlichkeit auf den „überstandigen“ Charakter dieser bildungsbürgerlichen Repräsentationsanstalten hingewiesen, deren traditionsgebundener Charakter es so schwer machen würde, neue partizipative Modelle der Theaterarbeit (z.B. mit jungen Migranten samt ihren Familien und peer groups im Stadtteil) zu entwickeln und auf die Bühne zu bringen. Naturgemäß wurde in diesem Zusammenhang immer wieder das Ballhaus Naunynstrasse ins Spiel gebracht, das (ursprünglich als türkisches Theater errichtet) hochprofessionelle avancierte Theaterpraktiken mit partizipativen Formen der Stadteilkulturarbeit zu verbinden trachtet (ein Versuch, der mit der Übernahme Intendanz der Wiener Festwochen durch Shermin Langhoff 2014 und einer damit verbundenen Ganzjährigkeit des Festivals hoffentlich auf den restlichen Wiener Theaterbetrieb ausstrahlen wird).
In Wien steht inzwischen vor allem die „Brunnenpassage“ paradigmatisch für den Anspruch partizipativer Stadtteilkulturarbeit. Was darüber hinaus aber fehlt sind Experimentierräume, in denen neue Formen der professionellen Theaterarbeit mit den Ansprüchen einer lokalen Bevölkerung verbunden werden können.
Viele Theatereinrichtungen haben es darüber hinaus bislang unterlassen, die vielfältigen Kommunikationskanäle der unterschiedlichen sozialer Gruppen nutzen. Das bezieht sich vor allem auf neue Kommunikationsformen junger Menschen, etwa via social media aber auch auf Mundpropaganda und dem Wiedererkennen der „eigenen Leute“ auf der Bühne.
In den bisherigen Diskussionen ist aber auch deutlich geworden, dass viele, die am postmigrantischen Diskurs teilnehmen, diesen in erster Linie dazu nutzen, ihre indivduellen Betroffenheiten öffentlich zu machen (und nur zu verständlich, ihre bisherigen Disrkiminierungsgeschichten zu teilen). Wenn es aber zur Diskussion von Lösungsvorschlägen kommt, zeigt sich, dass die meisten DiskutantInnen das Prinzip des österreichischen Josefinismus verinnerlicht haben und sich das Heil „von oben“ erwarten („Die Stadt Wien soll…“). Was dabei aber gerne auf die Strecke bleibt ist die klare Interessensartikulation und damit verbunden, diese auch durchzusetzen. Dabei fallen immer wieder Anknüpfungen zur Kampfbereitschaft des Feminismus der 1970er Jahre oder zur konflikthaften Entwicklung einer freien und autonomen Theaterszene in den 1980er Jahren. Allein die Politisierung der postmigrantischen Szene (bei allem Bekenntnis zu einem politischen Theater auf der Bühne) scheint noch nicht sehr weit fortgeschritten.
Was für die Kulturpolitik bleibt
Vieles deutet darauf hin, dass Fragen der sozialen Diskriminierung, seien es postmigrantische oder andere Milieus mit kulturpolitischen Mitteln nicht gelöst werden können. Es wäre nachgerade verhängnisvoll, wollte sie diesen Eindruck auch nur erwecken, obwohl ihr die dafür notwendigen Mittel fehlen. Sie liefe damit Gefahr laufen, einen aktiven Beitrag zur Verschleierung bestehender sozialer Widersprüche zu leisten. Und doch gilt es, den geänderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen – etwa anhand der geänderten demographischen Zusammensetzung der Wiener Bevölkerung – Rechnung zu tragen und in die Weiterentwicklung des kulturpolitischen Instrumentariums zu integrieren.
Das rot-grüne Regierungsübereinkommen hat diesem Umstand erstmals programmatisch Rechnung getragen und sieht zur Lösung der anstehenden Probleme die Errichtung eines „postmigrantischen Theaterraums“ (á la Naunynstrasse) vor.
Unsere Recherchen haben eine Fülle weiterer kulturpolitisch relevanter Lösungsvorschläge erbracht. Sie reichen von überfälligen Quotenregelungen über eine Verbesserung der Nachwuchspflege (und damit der Errichtung einer eigene n „Akademie“), der Intensivierung des Informationsaustausches und der Servisierung, Schaffung von Sichtbarkeit, der Förderung neuer Formen der Zusammenarbeit der etablierten und der postmigrantischen Szenen, der Weiterentwicklung des Qualitätsbegriffs (und damit der Kriterien der Förderentscheidungen) oder der Aufrechterhaltung des öffentlichen Diskurses bis hin zu einer verbesserten Mittelausstattung.
Auf dieser Grundlage spricht vieles dafür, dass sich die Beantwortung dieser Herausforderung nicht auf die Entscheidung über ein Haus ja oder nein wird fokussieren lassen. Wir haben es schlicht mit einem komplexeren Sachverhalt zu tun, der sich auf die Beantwortung dieser einen Frage nicht reduzieren lässt. Viele unserer Gesprächspartner haben die Angst vor einer Alibi-Handlung geäußert: „Es gibt ein Haus und dann ist alles gelöst“. Zugleich spricht sich eine Mehrheit durchaus auch für eine verbesserte, auch räumliche Sichtbarkeit aus: „Ja, Sichtbarkeit ist wichtig, damit auch eine räumliche Infrastruktur, aber nur im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen (Haus als eine Art „Schlussstein“)“.
Diesbezügliche Empfehlungen gehen aber in die Richtung, die Frage nach einem „eigenen Haus“ einzubetten in ein Ensemble damit verbundener kulturpolitischer Maßnahmen, die auch Entscheidungen über das künftige Personal im Theaterbereich, nicht nur in den einzelnen Häusern sondern auch in der Verwaltung und den Entscheidungsebenen (z.B. Beiratzusammensetzungen) einbeziehen.
Eng damit zusammenhängend bahnt sich eine neue Qualitätsdiskussion, die nach ästhetischen Qualitätskriterien an, die sich nicht mehr – wie bisher – vom Kontext ihrer Realisierung lösen und damit traditionelle Widersprüche wie professionelle ästhetische versus partizipative Ansprüche hinter sich lassen.
Zu vermuten ist, dass es die kulturpolitischer Lösung nicht gibt: Weil aber die Wiener Kulturpolitik in den letzten Jahren nur ein sehr bescheidenes Problembewusstsein entwickelt hat, scheint fast jede kulturpolitische Entscheidung gut, wenn es ihr gelingt, eine Weiterentwicklung in diesem Bereich zu voranzutreiben. Sie schafft die Voraussetzung für eine weitere Diskussion und Auseinandersetzung.
Darüber hinaus: Die Wahrheit ist konkret. Wir reden über Konzepte. Aber wir müssen auch über konkrete Personen sprechen, die in der Lage sind, die in sie gesetzten strukturellen Erwartungen zu erfüllen, sie sich vielleicht sogar zu Eigen zu machen. Der Erfolg einer nächsten Generation von kulturpolitischen Maßnahmen wird also wesentlich davon abhängen, ob es KünstlerInnen gibt, die diese in überzeugende Weise leben und vertreten. Schon die nächsten Entscheidungen über die Einreichungen der mehrjährigen Konzeptförderungen werden zeigen, ob wir in die richtige Richtung gehen.
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