Über die schleichende Deflationierung der Kultur
Unter dem Titel „Mut in der Kultur“ lud in diesen Tagen die Kulturpolitische Gesellschaft Oberösterreich zu ihrem Jahresempfang. Die Veranstalter*innen ließen sich dabei nicht von den verschärften Zugangsbeschränkungen einschüchtern, sondern entschlossen sich zu einem hybriden Format, bei dem persönliche Begegnungen zwischen SPÖ-Politiker*innen und Kunstschaffenden möglich sein sollten.
Am späteren Abend traten die Attwenger auf. Mit ihrer in die Jahre gekommenen Brachial-Folklore versinnbildlichten sie unversehens den Abgesang eines in die Jahre gekommen Kulturbetriebs, der mit der Pandemie an seine Grenzen gekommen scheint. Zynisch reagierten die beiden Musiker auf Zurufe der rund 30 im Central physisch anwesenden Zuhörer*innen: „Super Stimmung da!“, um dann ihr Programm abzuspulen, das vor zwanzig Jahren die Massen begeistert hat. Eindringlicher hätten sie mit ihrer Performance nicht deutlich machen können, dass das, was da zwischen Bühne und Zuschauer*innenraum abging, so keine Zukunft hat.
Der Kulturbetrieb zwischen Behauptung und Verzweiflung
Davor aber erzählte die Wiener Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler von ihren engagierten Bemühungen, in Wien den Kulturbetrieb zum Teil mit unkonventionellen Formaten wie den „Kultursommer“ zumal in Vorwahlzeiten am Laufen zu halten und darüber hinaus die Bedeutung von Kunst- und Kulturschaffenden für die Weiterentwicklung einer urbanen Gesellschaft zu beschwören. Ihr unbedingtes Eintreten für das „Weitermachen“ war beeindruckend, auch wenn manche ihrer Äußerungen wie „Kunst und Kultur sind überlebenswichtig, ohne sie wären wir nicht durch den Corona-Sommer gekommen“, waren zwar gut gemeint aber einem Realitycheck würden sie wohl nicht standhalte. Nach ihr zeichnete die Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich Yvonne Gimpel ein mehr als düsteres Bild der aktuellen Situation. Sie berichtete von existentiellen Bedrohungen vor allem des Freien Sektors und sparte nicht mit Kritik über unzulängliche Hilfsmaßnahmen samt unklaren Vorgaben bei der Durchführung von Veranstaltungen. Landesrätin und SPÖ-Landesvorsitzender Brigitte Gersdorfer blieb es vorbehalten, für Motivation in schwieriger Zeit zu sorgen und einen Kunstpreis an die drei jungen oberösterreichischen Autor*innen Lucia Leidenfrost, Lydia Haider und Thomas Arzt zu vergeben, die sich mit kurzen Lesungen aus ihren aktuellen Arbeiten revanchierten.
Die Hoffnungen auf ein baldiges „Wieder“ – Aber die Probleme haben schon früher begonnen
Mein Part bei der Veranstaltung war es, über mögliche mittel- und langfristige Auswirkungen der Pandemie auf den Kulturbereich nachzudenken. Ausgangspunkt dafür war mir die nur zu gern gepflegte Hoffnung auf ein „wieder“, die suggerieren soll, früher oder später wieder zu Zuständen vor der Krise zurückkehren zu können. Gerade dieses „wieder“ ist aber möglicherweise der entscheidende Grund, warum der Kulturbereich in der gegenwärtigen Situation immer weiter an den Rand zu geraten droht, um dort erfahren zu müssen, wie unbedeutend er mittlerweile geworden ist……
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Bild: ©Gesellschaft für Kulturpolitik.OÖ.2020
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