„Überentwicklung – Unterentwicklung“. Eine kleine autobiographische Revue – Teil III
Während meiner Tätigkeit als junger Lehrer in Wr. Neustadt machte ich eine erste Bekanntschaft mit dem Leiter des damals gerade erst gegründeten Österreichischen Kultur-Service (ÖKS). Der Galerist Herbert Gras, der in der Grünangergasse junge Kunst ausgestellt hat, gehörte zusammen mit Hans Pusch und Fritz Hermann zum engsten kulturpolitischen Beraterkreis des damaligen Unterrichts- und Kunstministers Fred Sinowatz. Er residierte damals mit seinem Freund, dem Künstler Manfred Nisslmüller am Schwedenplatz und entwickelte erstmals im Auftrag des BMUK innovative Kunstprojekte für Schulen. Und ich hatte keine Ahnung, dass der ÖKS ein paar Jahre später eine zentrale Rolle in meinem beruflichen Leben einnehmen würde (dazu später mehr).
Ich interessierte mich aber auch für andere mögliche Kooperationspartner*innen und stieß dabei auf den Jugendrat für Entwicklungshilfe. Die dort Beschäftigten standen für mich für einen offenen und zugleich kritischen Blick auf eine Welt, die ansonsten nur selten in der provinziellen Enge der Kleinstadt Spuren hinterließ. Also organisierten wir 1977 oder 1978 gemeinsam einen „Dritte Welt Tag“ für die gesamte Schule, an dem sich die Schülerinnen in vielfältigen Aktionsformen (spielen, singen und musizieren, basteln, Texte verfassen, Theater spielen, diskutieren, kochen, Dritte Welt Produkte verkaufen und kaufen,…) zum Thema der weltweit ungleichen Ressourcenverteilung beteiligten. Wahrscheinlich erklang dabei zum ersten Mal das dort von einer bolivianischen Gruppe gespielte „El Conor Pasa“ im ansonsten sehr lokalen Ambiente Wr. Neustadts und erlaubte von dort aus einen Blick in die große weite Welt.
Etwas zu wollen ist zu wenig, man muss das Wollen auch umsetzen können
Nach dem kurzen Sommer des Widerstands gegen eine, von der damaligen Direktorin repräsentierte, schulische Ungerechtigkeit musste ich bald erkennen, dass ich (und mit mir ein beträchtlicher Teil der Schüler*innen) zwar einen moralischen Sieg errungen hatten, die Fakten der Nichtweiterbeschäftigung in Wr. Neustadt aber nicht zu leugnen waren und das Leben trotzdem weiter gehen musste. Weitreichende Pläne, zusammen mit einem Lehrer-Kollegen, der mich in meinem Kampf gegen die Direktorin besonders unterstützt hatte (und als Familienvater mit drei kleinen Kindern besonderen Drohungen ausgesetzt war), einen Bauernhof zu kaufen und in der Folge mit alternativer Landwirtschaft das Auskommen zu finden, zerplatzten (Gott sei Dank) schon bald als illusionäre Seifenblasen.
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