
Was gegen die Angst vor den Rechten hilft
Auf dem Weg nach Hause kommen mir gerade ein paar junge Männer entgegen, die sich angeregt unterhalten. Unmittelbar beim Vorbeigehen erreicht der Satz „In Deutschland müssen wieder Konzentrationslager gebaut werden“ mein Ohr. Danach verschwindet der Sprecher hinter mir im Dunklen.
In welchem Zusammenhang immer dieser Satz gesagt wurde, er bestätigt die Dringlichkeit für uns alle, sich mit dem wachsenden Rechtsradikalismus auseinander zu setzen. Eine gute Gelegenheit dafür bot das letzte Wochenende, an dem die evangelische Akademie Loccum zu einer Tagung eingeladen hatte. Sie versuchte damit, das Verhältnis des Kulturbetriebs vor allem in Deutschland zu einer erstarkenden Rechten klären zu helfen. Nur wenige Tage nach dem Attentat in Hanau und – dessen ungeachtet – dem Wiedereinzug der AfD in den Hamburger Senat war vielen Teilnehmer*innen die Betroffenheit ins Gesicht geschrieben.
Darf man mit Rechten reden?
Im Zentrum stand der Diskussionen stand die Frage, ob man angesichts der aktuellen Radikalisierungstendenzen mit Rechten überhaupt reden darf. Die Vertreter*innen einer kategorischen Verneinung dieser Frage wurden bestärkt von den Ausführungen der Politikwissenschafterin Carola Book, die einen umfassenden Einblick in das Gedankengut und das strategische Vorgehen neurechter Bewegungen bot. Je länger der Vortrag dauerte, desto mehr beschlich mich der Eindruck eines Voyeurismus bei den Zuhörenden, die gar nicht genug Details bekommen konnten, um sich so auf der „richtigen“ Seite zu wissen. Der Umstand, dass Frau Book auf Grund ihrer Recherchen persönlichen Angriffen ausgesetzt war, soll damit in keiner Weise klein geredet werden, eher schon die mit Moral getränkte Angst-Lust, die mit dem Zuruf an die Referentin „Mehr davon“ zunehmend den Raum erfüllte. Im Gegensatz zu Book kamen Wortmeldungen von Kulturverantwortlichen vor allem aus östlichen Kommunen, die allein auf Grund der neuen Stärkeverhältnisse in ihrem beruflichen Alltag um eine Kommunikation mit AfDlern nicht herumkommen. Für alle Entrüsteten hatte der „Kulturreporter“ Peter Grabowski so manche Tipps parat. Vor allem anhand diverser digitaler Strategien zeigte er auf, wie leicht es moralisch Gutmeinende den Rechten machen, gegen das eigene Wollen für deren Zwecke instrumentalisiert zu werden.
Wenn wir in den rechten Positionen so manche eigene dunkle Stelle entdecken
Ich durfte kurz zur österreichischen Situation sprechen (dazu ein eigener Blog in den nächsten Tagen) und danach eine Diskussionsrunde leiten, an der der Autor Per Leo und der direkt gewählte linke Abgeordnete Helge Lindt teilnahmen. Vor allem Per Leo war mir mit seinen Einschätzungen hilfreich, wenn er vermutete, dass viele Positionen der Neuen Rechten nicht einfach als das schiere Gegenteil dessen ausdrücken, was auch das Denken und Handeln ihrer Gegner*innen umtreibt. Ohne entlang der Zuschreibung als unbewusste Projektion in die Falle eines simplen Psychologismus abzugleiten, wurde doch deutlich, dass uns die Strategie, das schiere Gegenteil dessen zu behaupten, was die Rechten vorgeben, nicht wirklich weiter bringen wird. Politischer argumentierte da schon Helge Schmied, der es ja nahezu täglich mit den politischen Inszenierungsversuchen der AfD im Bundestag zu tun hat. Aber auch bei ihm überwogen die Versuche, die Taktiken dieser Bewegung im Detail zu durchschauen zu analysieren (um sie so besser bekämpfen zu können), vor dem Anspruch, eigene Positionen überzeugend darzustellen.
Wenn die Kulturverwaltung dazwischen steht
In einer eigenen Arbeitsgruppe kamen die Vertreter*innen der kommunalen und regionalen Kulturverwaltungen miteinander ins Gespräch. Ihre Aufgabe im Zusammenhang mit dem grassierenden Rechtsentwicklungen sahen sie vor allem in einer Vermittlerrolle, die versucht, alle Akteursgruppen im Gespräch zu halten (besonders interessant war in diesem Zusammenhang der Bericht einer Kollegin aus Dresden, deren Aufgabe es u.a. war, die Kontakte zwischen den mittlerweile tief verfeindeten Gruppen um Uwe Tellkamp („Charta 77“) einerseits und Durs Grünbein andererseits nicht ganz abreißen zu lassen. Dazu hat sich eine Reihe von kommunalen Kulturverwaltungen vorgenommen, in nächster Zeit einen Schwerpunkt auf demokratiepolitisch relevante Aktivitäten zu legen…..
Den Blogbeitrag in voller Länge und weitere Publikationen von Michael Wimmer finden Sie auf Michael Wimmers Kulturservice!
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Bild: wikimedia commons “Kloster Loccum“ Losch. CC BY-NC-SA.
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