Was am Ende zählt ist das Fragen

Vor vierzehn Tagen habe ich mich in diesem Blog mit dem Gesetz gegen Schmutz und Schund aus den 1950er Jahren beschäftigt. Nach den Erfahrungen mit dem Nazi-Regime schien es mir unvorstellbar, dass man sich in den Jahren des demokratischen Wiederaufbaus noch einmal auf die kulturpolitische Maßnahme der Bücherverbrennung als Instrument der sittlichen Erziehung bedienen konnte.

Am Grazer Gymnasium Orthweingasse, die sich mit künstlerischen Schwerpunkten profiliert, fand zuletzt ein Projekt zum Thema „Wir holen uns die Bücher zurück“ statt. Dazu recherchierten SchülerInnen in Archiven und Bibliotheken der Stadt, welche Bücher in der Zeit des austrofaschistischen Ständestaates und des NS-Regimes verboten und vernichtet wurden. Und zumindest einigen wurde bewusst, dass „Bücher eine mächtige Rolle in der Geschichte spielen“ können.

Ausgeklammert bei diesem Projekt – soweit ich es jedenfalls nachvollziehen kann – blieb der Umstand, dass die Bemühungen einer zum Teil gewaltsamen Trennung in sogenannte gute und schlechte Literatur wesentlich weiter reichen und diesbezügliche Unterscheidungsversuche – pluralistische Gesellschaft hin oder her – die Unterrichtsinhalte (nicht nur in Deutsch) bis heute wesentlich bestimmen. Nur zu gut erinnere ich mich selbst noch an mein klammheimliches Lesen von Comics oder eines Krimis unter der Schulbank, die im Fall des Erwischtwerdens sofort konfisziert wurden.

In dem Zusammenhang würde ich mir wünschen, das Projekt in der Orthweingasse auszuweiten, um den Wunsch nach Diskriminierung und Ausmerzung bestimmter Kunstformen nicht ausschließlich als ein historisches Phänomen zu untersuchen.

Immerhin scheint die spezifische Angst bis heute handlungsleitend, die SchulpolitikerInnen dazu bringt, Jugendliche ungeachtet ihrer konkreten Lebensumstände von bestimmten Ausschnitten der Realität – vor allem in ihrer künstlerischen Ausgestaltung – abzuschirmen, weil sie ihnen vorgeblich „nicht zuzumuten“ seien. Interessant wäre also, mehr zu den Anwendungen von impliziten bzw. expliziten Kriterien, die sie bei ihrer Wahl, was zumutbar ist und was nicht, zu erfahren.

Die Geschichte der Zensur ist nicht zu Ende

Die Grazer SchülerInnen sind nach ihren Recherchen zum erfreulichen Schluss gekommen, dass alle jene Inhalte, die damals als eine Form der Jugendgefährdung angesehen worden wären, heutzutage als normal gelten. „Heute“, so einer der beteiligten Schüler, „kannst Du in ein Buch fast alles hineinschreiben, da wird kaum was verboten, es ist wirklich arg zu sehen, was man damals verboten hat“.

Dem ließe sich entgegen halten, dass die Zensurversuche insbesondere in und rund um Schule nicht zum Erliegen gekommen sind. Ich erinnere mich noch gut an die öffentlichen Auseinandersetzungen um die Reihe „Souffleurkasten“, die in den späten 1970er Jahren Texte für den Schulgebrauch prominenter Autoren wie Peter Turrini, Peter Henisch oder Wilhelm Henisch versammelte, um SchülerInnen nicht nur mit den Klassikern, sondern auch mit österreichischer Gegenwartsliteratur zu konfrontieren. Ausgelöst vom damaligen Wiener Schulsprecher der ÖVP machte sich ein Sturm der Entrüstung breit, weil die „Sprache derb sei und auch von Sexualität und Drogenkonsum zu unverblümt gesprochen werde“.

Der Unterschied zu den 1950er Jahren bestand darin, dass die inkriminierten Autoren sich diese Form der Diskriminierung nicht mehr gefallen ließen, sondern sich zur Wehr setzten. Und sie bekamen vor Gericht zumindest teilweise Recht. Turrini und Pevny wurden vom Pornografievorwurf freigesprochen. Beim Träger des Würdigungspreises der Industriellenvereinigung Peter Henisch hingegen wurde – vielleicht aufgrund seines „piratenmäßigen Aussehens“ (so die Zeitschrift „Neues FORVM“) – der Abusus von Kraftausdrücken in seiner Cover-Version von Nestroys „Lumpazivagabundus“ gerichtlich bestätigt.

Der Skandal um „Nichts“

Und bis heute ist das Gespenst der Zensur nicht völlig ausgetrieben. Bei meinen Recherchen stieß ich u. a. auf den Bestseller „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ von Jane Teller. Darin schildert die dänische Autorin die Geschichte eines Jungen namens Pierre Anthon, der seinen Klassenkameraden von einem Pflaumenbaum aus die Sinnlosigkeit des Lebens verkündet. Diese fühlen sich dadurch provoziert, ihm zu beweisen, dass es doch Dinge von Bedeutung gebe, was letztlich zu gewalttätigen Handlungen unter den Kindern führt.

Die öffentliche Diskussion wurde vor allem rund um die Frage geführt, ob ein solcher „nihilistischer“ Text den jungen LeserInnen zuzumuten wäre und führte in Dänemark, wo das Buch bereits in den frühen 2000er Jahren veröffentlicht wurde, zu einem zeitweisen Verbot. Gleichzeitig wurde Teller mit vielfachen Preisen ausgezeichnet. Recht bekam sie vor allem auf dem Buchmarkt, wenn allein in den deutschsprachigen Ländern mehrere hunderttausend Exemplare verkauft wurden.

Nach dem Besuch mehrerer Fachveranstaltungen zu „Kulturvermittlung“ beschäftigte mich diese Woche noch eine zweite Frage zum Verhältnis verschiedener Ansprüche von Wissenschaftlichkeit. Ausgangspunkt meiner Überlegungen war das Symposium „Gemeinsam für Musik“ im Wiener Rathaus Ende April, das den Anspruch der Wiener Stadtverwaltung, künftig einen „Wiener Weg der musikalischen Bildung“ zu beschreiten, verdeutlichen wollte. Die Veranstaltung wurde inhaltlich unterfüttert von den Ergebnissen einer Fragebogenerhebung durch die Forschungsgesellschaft ICG. Diese ergaben, vereinfacht gesagt, dass mehr junge Menschen als erwartet musikalische Bildung in Anspruch nehmen, auch wenn Wien gerne als gesamtösterreichisches Schlusslicht des öffentlichen Musikschulangebotes angesehen wird.

Musik verändert das Gehirn – so what?

Die keynote zur Veranstaltung steuerte der Schweizer Hirn- und Begabungsforscher Willi Stadelmann zum Thema „Musik bewegt das Gehirn – Musik und Instrumentalspiel aus der Sicht der Lernforschung“ bei (die wesentlichen Inhalte finden sich in einem Beitrag aus 2005 „Musik und Gehirn“). Dabei waren weniger die präsentierten Ergebnisse beeindruckend, als die große Dankbarkeit des Publikums, dass sich hier ein „echter Wissenschafter“ (dessen Quintessenz sich darauf reduzieren lässt, dass die Beschäftigung mit Musik nachvollziehbare Veränderungen in spezifischen Gehirnregionen bewirkt) auf ihre Seite schlägt und ihre Bemühungen um mehr Musik in der Bildung unterstützt.

Ganz ähnliches konnte ich beim Symposium „Kulturvermittlung“ erleben, das vergangene Woche in St. Pölten stattgefunden hat. In diesem Fall war es kein Hirnforscher sondern ein Genetiker in der Person von Markus Hengstschläger mit Hang zu Bildungsfragen („Die Durchschnittsfalle“), der den teilnehmenden VermittlerInnen ihre Wichtigkeit zu versichern vermochte.

Beide Ereignisse sind für sich genommen durchaus erfreulich. Bedenklich wird die Begeisterung der TeilnehmerInnen, (wenn schon nicht von den verantwortlichen PolitikerInnen so doch) von Vertretern der Naturwissenschaften ernst genommen werden, erst im Vergleich mit den fachlichen Beiträgen aus den eigenen Reihen. Ein solcher macht offensichtlich, wie eine unkritische Affirmierung (natur)wissenschaftlicher Aussagen Bemühungen um eine eigene, der Sache der kulturellen Bildung und Vermittlung adäquate sozial- oder kulturwissenschaftliche bzw. pädagogische Herangehensweise abzuwerten droht.

Bedeutet die Macht der Wissenschaften das Ende der Humanität?

Der englisch-französische Philosoph mit österreichischen Wurzeln hat in einem, jüngst in der französischen Tageszeitung „Le Monde“ erschienenen Portrait mit dem Titel „L’œuvre n’a besoin de personne“ der Begründung neuer Formen der Vermittlung einen Dämpfer aufgesetzt. Zugleich hat er von seiner wachsenden Sorge gesprochen, die sogenannten exakten Wissenschaften könnten die Definitionsmacht über unser Sein übernehmen. Ganz offensichtlich ist die englische und auch die französische Sprache sensibler gegenüber der Unterscheidung zwischen „sciences“ und „humanities“, die im deutschsprachigen Kontext gerne unterbelichtet bleibt.

Für Steiner würden sich die „sciences“ zunehmend über die „humanitities“ erheben und damit humanistische Errungenschaften, ja den Humanismus als solches für obsolet erklären („La science va emporter sur l’humanité, voire sur l’humanisme“). Bei der Bewertung der Hauptgefahr dieser Entwicklung bezieht er sich auf Heidegger, der gemeint habe, die exakten Wissenschaften „sont extrêmement triviales. Elles n’ont que de réponses“.

Georg Steiner hat mir damit zumindest einen Grund für mein Unwohlsein geliefert, das ich angesichts des großen Beifalls gespürt habe, mit denen die PädagogInnen und VermittlerInnen die VertreterInnen der exakten WissenschafterInnen beschenkt haben. Es ging eine spezifische Form der Bestätigung, die die Hoffnung schürt, oft unangenehmes Fragen vermeiden zu können.

Was aber, wenn die Fähigkeit einer humanistischen Pädagogik, immer neue Fragen aufzuwerfen, den Kern unseres Geschäfts ausmacht? Die Fragen, die die SchülerInnen der Orthweingasse an einen Aspekt der Kulturgeschichte gerichtet haben, könnte uns die erste Euphorie nochmals überdenken lassen.

Ach, Europa!

„Unsere Zeit erinnert sehr an die Auflösung des griechischen Staatswesens. Alles besteht und doch gibt es niemanden, der daran glaubt. Alle wollen herrschen, aber niemand will die Verantwortung übernehmen.
Falls Denken in unserer Zeit nicht so etwas Wunderliches, so etwas Angelerntes geworden wäre, so würden Denker einen ganz anderen Eindruck auf die Menschen machen. Wenn jemand in unserer Zeit sagt, ich weiß alles, wird ihm geglaubt. Aber wenn er sagt, dass es Vieles gibt, das er nicht weiß, steht er im Verdacht, einen Hang zur Lüge zu haben.
Das Unselige an unserer Zeit ist  u. a. dass es bald eine Unmöglichkeit wird, einen Menschen zu finden, der die Zeit, und die Geduld und den Ernst und die Leidenschaft des Denkens hat. Alle sind leidenschaftlich mit dem beschäftigt, was die Zeit fordert. Keiner scheint sich darum zu kümmern, was der Einzelne braucht.“ (Sören Kierkegaard 1813 – 1855)

Letzten Sonntag demonstrierten in Paris mehrere zehntausend Menschen gegen die bevorstehende Beschlussfassung des Europäischen Fiskalpaktes, der massive Verschärfungen des Sparkurses in den Mitgliedsländern vorsieht. Aufgerufen dazu hatte der Linkspolitiker Jean-Luc Mélanchon, der auf wachsende Zustimmung der französischen Linken im Kampf gegen die Austeritätspolitik der sozialistischen Regierung zählen kann.

Was ist aus der erhofften Repolitisierung geworden?

Präsident Francois Hollande, der vor einem Jahr als Hoffnungskandidat einer Repolitisierung nicht nur Frankreichs sondern ganz Europas gefeiert wurde, sieht sich nach seinem ersten Regierungsjahr mit vielfältigem Misstrauen nicht nur der Opposition sondern auch aus den eigenen  Reihen konfrontiert. Jetzt kommt er um überfällige Entscheidungen, die er bislang zu vermeiden versucht hat, nicht mehr herum, wenn es darum geht, die Position Frankreichs in Europa vor allem gegenüber einem wirtschaftlich dominant werdenden Deutschland neu zu bestimmen. Zu sehr scheint das Land mittlerweile von der Krise gezeichnet, die zu immer weiter steigender Arbeitslosigkeit und darüber hinaus Verelendung immer mehr Menschen führt.

Da mag sie noch so intensiv beschworen werden, die vermeintlich unverbrüchliche deutsch-französische Achse, um die sich der europäische Integrationsprozess in den letzten Jahren vollzogen hat. Auch wenn das europäische Projekt weit davon entfernt ist, mit dem griechischen Staatswesen verglichen zu werden, machen die politischen Realitäten dennoch, wenn schon nicht auf Auflösung so doch auf ein wachsendes Auseinanderdriften der Interessenslagen aufmerksam, wenn es darum geht, Auswege aus der Krise zu weisen. Da hat sich ganz offensichtlich nicht nur in Frankreich der Eindruck verfestigt, dass Deutschland spätestens mit der Reformpolitik Gerhard Schröders das prekäre Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen und politischen Interessen einseitig zugunsten des Kapitals verschoben habe. Und so wächst der Verdacht, dass die gegenwärtige Regierung kraft der erreichten wirtschaftlichen Dominanz ein strikt marktwirtschaftliches Regime auf den ganzen Kontinent auszudehnen beabsichtigt, ungeachtet einer nachhaltigen Verschlechterung des Lebensstandards von immer mehr Menschen.

Noch spricht Francois Hollande noch vorsichtig von einer „tension amicale“. Aber bereits der Präsident der Nationalversammlung Claude Bartolome verwendet das Wort „confrontation“, wenn es um die unterschiedliche Einschätzung des Austeritätskurses als Wachstumsvoraussetzung aus der Sicht der Deutschen einerseits und als Verschärfung der gegenwärtigen Rezessionstendenzen andererseits geht.

Der Riss, der durch Europa geht, oder: Das lateinische Reich ante portas?

Nun ist der öffentlich ausgetragene Streit ein Wesenselement des Politischen. In diesem Fall aber könnte es sich um ein grundsätzlicheres Problem handeln, das die Vorstellungen der europäischen Gesellschaften im aus dem Lot gekommenen Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftlichen und politischen Interessen berührt. Und so tun sich  in der ohnehin sehr fragilen europäischen Konstruktion plötzlich Risse auf, von denen mangels eines entsprechenden politischen Instrumentariums kaum jemand zu sagen vermag, wie sie noch einmal gekittet werden können.

Nachgerade als Verdeutlicher der Bruchlinien vor allem zwischen dem reichen Norden Europas und dem zunehmend ins politische Abseits beförderten Süden beschäftigen sich führende Philosophen wie Giorgio Agamben. Er schlägt die Restauration eines „lateinischen Reiches“ unter der Führung Frankreichs vor, das die drei großen lateinischen Nationen Frankreich, Spanien und Italien politisch und auch wirtschaftlich vereinigen sollte, um deren kulturelle Verwandtschaften wieder zu beleben und als politischen Faktor auszuspielen. Agamben bezieht sich dabei auf den französischen Philosophen Alexandre Kojève, der bereits unmittelbar nach dem Krieg davor gewarnt hatte,  Deutschland würde es gelingen, sich in kurzer Zeit als reichste und mächtigste Nation Europas zu etablieren. Auf dieser Grundlage würde es sich von marktliberalen anglo-sächsischen wirtschaftsliberalen Wertvorstellungen derart angezogen fühlen, dass es versuchen würde, diese in einer Weise durchzusetzen, sodass den  lateinischen Nationen mit ihren unterschiedlichen kulturellen  Wertvorstellungen bestenfalls eine Rolle als periphere Satelliten verbliebe (vor diesem Hintergrund ist es besonders faszinierend zu beobachten, mit welchem Furor die deutsche kulturelle Bildungsszene anglo-sächsische Modelle von creative education zur Förderung von entrepreneurship bzw.  neuer Wirtschaftssektoren übernimmt).

Die Fundamentalkritik richtet sich vor allem gegen ein Konzept Europas auf streng wirtschaftlicher Basis, das alle reellen Verwandtschaften in Lebensform, Kultur und Religion als spezifische Wertvorstellungen aufgegeben habe, um auf diese Weise neue Formen der wachsenden Ungleichheit zu produzieren, deren Verringerung, wenn schon nicht Vermeidung, mit politischen Mitteln nicht mehr durchgesetzt werden kann. Und doch gäbe es keinen Sinn, „von einem Griechen oder einem Italiener verlangen zu wollen, dass er wie ein Deutscher lebt, doch selbst wenn das möglich wäre, würde es zum Verschwinden eines Kulturguts führen, das vor allem in einer Lebensform liegt“ (Agamben).

Die wirtschaftliche Hegemonie ist kulturell noch nicht durchgesetzt

Ähnliche Analysen kommen aber auch aus den deutschen Reihen selbst. So beschreibt der Zeit-Journalist Thomas E. Schmied in seinem Beitrag „Der Hegemon“ die Gefühlslage in Europa, insbesondere Frankreichs gegenüber Deutschland anhand des deutsch-französischen Ausstellungsprojektes „De l’Allemagne“ von einem Deutschland als „die verhasste Macht“. Und auch von seiner Seite kommt der Befund eines unbedingten Durchsetzungswillens einer unabweisbaren wirtschaftlichen, vermeintlich politisch alternativlosen Dominanz  Deutschlands, denen eine zunehmende wirtschaftliche Depression ohne Chance auf akkordierte politische Gegenwehr vor allem seitens der südeuropäischen Länder gegenübersteht. Bislang sei es gelungen, ein gewisses „containment“ zur Einhegung deutscher Hegemonialität aufrecht zu erhalten. Jetzt aber sei man mit diesbezüglichem Latein am Ende.

Mit einer Ausnahme: Kultur und Öffentlichkeit. Dort – so Schmidt – sei die Partie noch offen, zumal „der Riese und seine Kanzlerin“ was seine kulturelle Zustimmung anlangt, nach wie vor schwächeln würde.

Und so entsteht unversehens das Bild eines Deutschland, das ohne jede kulturelle Ambition versuchen würde, Europa seine, aus dem Hajek’schen Chicago importierten marktliberalen Standards aufzuzwingen, ohne sich um die kulturellen Besonderheiten der anderen Partner noch zu kümmern. (Übrigens historisch eine irritierende Kehrwendung, wenn man berücksichtigt, dass Deutschland unter genau umgekehrten Vorzeichen in den Ersten Weltkrieg gegangen ist, wenn es aus deutscher Sicht darum ging, die kulturellen Suprematieansprüche gegenüber einer, auf wirtschaftsliberalen Grundsätzen beruhenden Modernisierung in den Ländern der Gegner aufrecht zu erhalten. Wolf Lepenies hat im Band „Kultur und Politik“ den Charakter des Ersten Weltkriegs als eines „Kulturkampfes“ in Detail hingewiesen.)

Auch wenn die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg trotz seines Anspruchs auf kulturelle Hegemonie den Befund relativiert: Vieles spricht dafür, dass der derzeitige Alternativlosigkeitsmythos Deutschlands so lange auf tönernen Füßen steht, so lange er sich nicht kulturell untermauern lässt. Und darin liegt möglicher Weise die Chance des europäischen  Südens, wenn er sich aufmacht, die alternativlose ökonomische Vernunft zu bestreiten. Denn – so Schmidt – was die kulturelle Semantik betrifft, ist Deutschland matt. Und die Köpfe und die Herzen derer, die den aktuell bestimmenden wirtschaftlichen Kurs nolens volens mittragen, kulturell noch nicht vollends überformt.

Und so können die Manifestationen in Frankreich (und auch in Spanien, Portugal oder Griechenland) – so sehr sie Francois Hollande bei seinem Spagat zwischen wirtschaftlicher und politischer Vernunft weiter in die Bredouille bringen –  auch kulturell gedeutet werden, wenn sie sichtbar machen, dass Alternativen immer möglich sind, mehr noch, die Erinnerung wiederbeleben, dass sie die Grundlage der europäischen Demokratie bilden, die in diesen Tagen zur Disposition steht.

Zerstört die ökonomische Vernunft die demokratischen Grundlagen Europas?

Der deutsche Soziologe Wolfgang Streeck hat vor kurzem den Band „Gekaufte Zeit – Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus“ herausgebracht. Darin analysiert er die aktuellen Krisenerscheinungen auf dem Geist einer neuen Brutalität der Kapitalverwertung und kommt zum Schluss, dass die politisch zunehmend ungelenkten Kräfte des Marktes drauf und dran sind, den historischen Interessensausgleich zwischen Kapital und Politik außer Kraft zu setzen und damit demokratischen Errungenschaften (und somit verbundenen Gerechtigkeitsvorstellungen) auf diesem kriegsgebeutelten Kontinent einmal mehr für obsolet zu erklären. Als Ausgleich für den Verlust des Politischen würde dem Wahlpublikum ein umfassendes Programm der Kulturindustrie geboten, das ihnen das politische Geschehen als trashiges Unterhaltsangebot zu verkaufen sucht.

Erster Hauptsatz des Kulturellen: Es gibt immer eine Alternative

Für das, was nach dem demokratischen Kapitalismus käme, dafür hat die Geschichte eine Reihe von Belege. Die Variante „divide et impera“ als neue Herrschaftsform ist wahrscheinlich wichtigste, weil gefährlichste. Was u.a. das bisherige zögerliche Verhalten Francois Hollandes erklärt, wenn er um die Gefahr einer unkontrollierten Entfremdung zwischen Frankreich und Deutschland weiß, der es gilt, sich zu widersetzen. Bleibt die Hoffnung, dass das, was sich in diesen Tagen in Frankreichs Strassen zeigt, a la longue zu einem Wiedererstarken eines kollektiven politischen Bewusstseins führt, das alternative Wege aus der Krise weist, denen sich selbst die Politiker, die sich weitgehend in Geiselhaft derer begeben haben, die zur eigenen Nutzenmaximierung das Ende des demokratischen Kapitalismus in Kauf nehmen, nicht werden entziehen können.

Es wäre dies ein nachhaltiger kultureller Paradigmenwechsel, der in der Lage ist, die Werte formaler Freiheiten des „Marktbürgers“ mit denen der politischen Gerechtigkeit des Bürgers als Träger des demokratischen Gemeinwesens miteinander zu versöhnen. Immerhin – so Sören Kierkegaard – ist nicht Gewinnmaximierung, sondern das, was der Einzelne in seinen ganz konkreten kulturellen Umständen braucht, das letzte Ziel von Politik.

Reinventing Cultural Policy? Kulturpolitik und Good Governance

Wann: 3. Juni 2013, 09:00-19:00

Wo: Univ. für angewandte Kunst Wien, Aktsaal, Oskar-Kokoschka-Platz 2, 1010 Wien

Anmeldung erbeten bis Mittwoch, 29. Mai 2013 an: pr@uni-ak.ac.at
Die Teilnahme ist kostenlos.

Eine Veranstaltung der Universität für angewandte Kunst Wien in Kooperation mit Der Standard

 

Hier gehts zum Tagungsprogramm.

 

Kulturpolitik in Europa steht an einer Wegscheide. Die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise führt in einer Reihe von Ländern zu einer beträchtlichen Verringerung des öffentlichen Engagements. Dazu  deutet vieles darauf hin, dass sich auch das Nutzungsverhalten der verschiedenen sozialen Gruppen, wenn es um öffentlich geförderte Kulturangebote geht, beträchtlich verändert. Gleichzeitig kommt es zu einer Vervielfältigung der Akteure, die sich etwa aus den Europäisierungs- und Internationalisierungstendenzen ergeben.

Dies alles führt zur Vermutung, dass die traditionellen Instrumente staatlicher Kulturpolitik ausgereizt sind bzw. an Wirkung verlieren. Stattdessen wächst der Bedarf, Kulturpolitik auf eine breitere Basis zu stellen, die mit  kulturpolitischen Fragen Befassten zu vernetzen und in die sie betreffenden Entscheidungsprozesse aktiv einzubeziehen.

Wenn Demokratie die Herstellung von Mechanismen kollektiver Entscheidungsfindung bedeutet, dann bedarf es dafür transparenter Grundlagen, die von allen kulturpolitischen InteressenträgerInnen – PolitikerInnen, KünstlerInnen, KulturarbeiterInnen, VermittlerInnen, Unternehmen, „KulturbürgerInnen“ – in der Auseinandersetzung um die richtigen Entscheidungen gleichermaßen genutzt werden können.

Anders gesagt: statt einseitig ein bestehendes Angebot zu vermitteln, gilt es der zunehmenden gesellschaftlichen Diversität auch in kulturpolitischen Entscheidungs- und Entwicklungsprozessen Raum zu geben, wenn es um die Gestaltung der kulturellen Infrastruktur und des Angebots geht.

Zentrale Fragestellungen

Wie können die Prinzipien von good governance – Transparenz, Partizipation, Effizienz, Verantwortlichkeit, Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit und Gerechtigkeit–  innerhalb und für kulturpolitisches Handeln und innerhalb demokratischer Transformationsprozesse umgesetzt werden? Welche Rolle kommt dabei dem Kulturbetrieb und den KünstlerInnen in der Entwicklung von Gesellschaft zu? Welche Rolle spielen Wirtschaftsunternehmen im Rahmen ihrer corporate social responsibility? Wie können zivilgesellschaftliche Initiativen, wie können Individuen befähigt werden, an kulturpolitischen Entscheidungsprozessen aktiv zu partizipieren? Wie wird dabei auf die gesellschaftliche Diversität Bezug genommen? Welche Rolle spielt die Kulturpolitikforschung?  Und last but not least: welche Rolle kommt den politischen EntscheidungsträgerInnen auf kommunaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene zu?

TeilnehmerInnen

Die Tagung richtet sich an Personen aus der kulturpolitischen Praxis und Forschung, Studierende sowie VertreterInnen künstlerischer und kultureller Szenen, der Wirtschaft und kulturell engagierte BürgerInnen.

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Tagung "Reinventing Cultural Policy?"

Über ein altes „Gesetz gegen Schmutz und Schund“ aus dem Jahr 1950 und was davon bis heute weiter wirkt

Vor ein paar Tagen fand in Moskau eine Kulturministerkonfrenz zum Thema „Governance of Culture – Promoting Access to Culture“ statt. Nun treffen sich Kulturminister in regelmäßigen Abständen. Dass sie für ihr Treffen in Russland  ausgerechnet den Titel „Governance in Culture“ haben, ist allemal erstaunlich. Das Putin-Regime steht ja für alles mögliche, keinesfalls aber für die Überwindung hierarchischer Government- Strukturen zugunsten „somehow more advanced, frictionless, voluntaristic-consensuel and more freedom-protecting approach to socio-political regulation“ (zitiert nach Andrew Jordan u.a. in “The Rise of New Policy”). Die jüngsten Verhaftungen von Kulturschaffenden in Russland lassen jedenfalls nicht auf einen friktionslosen, an der Freiheit der Kunst orientierten, Umgang mit kritischen KünstlerInnen denken.

„governance“ schlägt „government“

Der deutsche Soziologe und Politikwissenschafter Claus Offe ist in einem Beitrag „Governance: An ‚Empty Signifier‘?“ bereits 2009 der grundsätzlichen Frage nachgegangen, was es mit der erstaunlichen Konjunktur des Begriffs „governance“ auf sich hat, der ganz offensichtlich versucht, tradierte Formen von „government“ als strikte Herrschaftsform hinter sich zu lassen. Er kam damals zu einem durchaus widersprüchlichen Schluss, wenn er den inhaltlichen Anspruch, „cognitive and moral resources of citizens“ in den Prozess der politischen Entscheidungsfindung einzubeziehen mit den Realitäten einer zunehmend „manipulative, depoliticizing, discriminating, paternalistic, patronizing and populist“ Politikgestaltung ins Verhältnis setzt. Und in der Tat ist es gerade dieser Widerspruch, der mir dazu einfällt, wenn ich von einer Veranstaltung auf höchster politisch Ebene in einer „gelenkten Demokratie“ mit dem Ziel einer gewollten Einbeziehung der BürgerInnen – und sei es in der Kultur – lese.

Bitte notieren: „Reinventing Cultural Policy?“ – eine Konferenz zu europäischer Kulturpolitik am 3. Juni an der Universität für angewandte Kunst Wien

Dazu eine Vorinformation: Die Universität für Angewandte Kunst plant für den 3. Juni eine ganztägige Veranstaltung zum Thema „Reinventing Cultural Policy? – Good Governance and Cultural Policy“. Mir kam die Aufgabe zu, die Veranstaltung inhaltlich auszurichten und ich hoffe sehr, dass wir zusammen mit einer Reihe europäischer Gäste, u. a. Helmut Anheier von der Hertie-Universität Berlin, Kathrin Watson von der European Cultural Foundation, Asu Aksoy von der Bilgi University Istanbul, Vesna ?opi? vom slowenischen Kulturministerium oder Dessy Gavrilova vom Red House in Sofia neue Entwicklungstrends der Kulturpolitikkonzeption und -umsetzung werden diskutieren können. Aus Österreich haben sich u. a. Gerfied Stocker vom AEC Linz, Matthias Naske, der neue Leiter des Wiener Konzerthauses und Sabine Vogel von der Angewandten angesagt.

Der Titel der Moskauer Konferenz hatte aber auch noch einen zweiten Teil, der mit „Promoting Access to Culture“ ein weiteres Catchword der aktuellen Kulturpolitik vor sich hertrug. Es ist ja durchaus erfreulich, dass „Access to Culture“ zur Zeit aller Orten Konjunktur hat; relativiert wird diese Freude freilich durch die Unbestimmtheit der Aussage, wessen Zugang da unter welchen Umständen und zu welcher Kultur gefördert werden soll (bzw. was jetzt anders sein soll als in Zeiten, als sich KulturpolitikerInnen ab den 1970er Jahren darin überboten, einen „weiten Kulturbegriff“ oder die „Demokratisierung der Kultur“ zu propagieren).

Aber vielleicht gibt es mehr Klarheit nach der Lektüre der Dokumente, die in Moskau verlesen und verfasst worden sind: Ministerin Claudia Schmied hielt eines ihrer emphatischen Plädoyers zugunsten der „Teilhabe an Kunst und Kultur und die Schaffung des Zugangs zu Kunst und Kultur“, die sie als „grundlegende Werte der Demokratie und Menschenrechte“  bezeichnete. Eine mögliche Präzisierung ergab sich aus ihrem Hinweis, der Ort der Konferenz, das Bolshoi-Theater , würde hervorragend zu diesem Thema passen, zumal es ihr besonders wichtig wäre, „kulturelle Stätten – Theater, Museen – zu öffnen, vor allem für die junge Generation“. Als Problem formulierte sie, dass der Zugang zu Kunst und Kultur nach wie vor wesentlich von der Herkunft und damit von der Macht der Vergangenheit dominiert würde: „Es ist immer noch so, dass Menschen meinen‚ für die Oper bin ich nicht gut genug, da gehöre ich nicht dazu.“ Diese Barrieren im Kopf – so meinte sie gegenüber ihren MinisterkollegInnen – müssten überwunden werden.

Und was, wenn noch mehr in die Oper gehen wollen?

Offenbar in Erfüllung dieses kulturpolitischen Auftrags hat sich der Staatsoperndirektor Dominique Meyer nach langer Zeit dazu entschlossen, speziell für Kinder die  Oper Pollicino von Hans Werner Henze auf die Hauptbühne zu bringen. Ob sie den erwünschten Zweck erfüllen wird, bleibt nach den Kritiken abzuwarten.  Was aber in jedem Fall bleibt, das ist ein quantitatives Problem: Ich weiß nicht, wie sich die Auslastungszahlen zuletzt für das Bolshoi-Theater entwickelt haben. In Wien hat erst vor kurzer Zeit Direktor Meyer stolz seine aktuellen Auslastungszahlen mit 99,19% angegeben. Von allfälligen Anbauplänen zur Vergrößerung des Zuschauerraumes, um all die aufzunehmen, die neuerdings „access to culture“ bekommen sollen, ist mir nichts bekannt. Darüber hinaus erinnere ich mich an einschlägige Maßnahmen der angesprochenen „Kulturstätten“ bereits in den 1980er Jahren, wenn kulturpolitische Vorgaben dazu führten sollten, neue Publikumsschichten anzusprechen und an sich zu binden. Diese wurden durchaus kontrovers diskutiert, wenn etwa Claus Peymann den Altersdurchschnitt der durchschnittlichen BurgtheaterbesucherInnen nachhaltig verjüngte und dabei gleich auch das Programmangebot veränderte. Oder wenn Gerard Mortier für viel Unmut bei den etablierten BesucherInnen der Salzburger Festspiele sorgte, die sich damit anfreunden mussten, neben StudentInnen Platz nehmen zu müssen.

Meine Vermutung: Ein auch noch so gut gemeinter kulturpolitischer Wille wird in absehbarer Zeit die Millionen junger Menschen in Österreich nicht zu Stammgästen der angesprochenen Einrichtungen machen, deren Existenz sie der von Claudia Schmied angesprochenen „Macht der Vergangenheit“ verdanken (das trifft wohl auch auf das Landestheater in  Linz erst zu, das erst vor wenigen Tagen neu eröffnet wurde). Mit Ausnahme einer kleinen Minderheit wird das Gros der jungen Menschen – in Zukunft mehr denn je – auf vielfältige andere kulturelle Angebote verwiesen sein, die ein weitgehend kulturpolitikfreier Freizeitmarkt bereithält. Das eigentliche kulturpolitische Problem liegt daher nicht im Umstand, dass nicht alle Menschen die Angebote der angesprochenen Kultureinrichtungen nutzen können oder wollen, sondern dass die Kulturpolitik einen blinden Fleck entwickelt hat, der sie übersehen lässt, was für Mehrheiten kulturell von Belang ist. Auf dieses Defizit haben die in Moskau vertretenen KulturministerInnen durchaus Bezug genommen, wenn sie im Final Document u.a. die Forderung erheben „to insist on the need to reflect on the consequences of changes in cultural production, consumption and in the means by which culture is diffused, especially through the digital revolution, which influences strongly the cultural environment”.

Der Kulturbetrieb als machtvolles staatliches Erziehungsinstrument

Just zum Zeitpunkt der Konferenz berichtete in der Ö1-Radiosendereihe „betrifft: Geschichte“ die Medientheoretikerin Edith Blaschitz von einem kulturpolitischen Kuriosum der besonderen Art: 1950  beschloss der österreichische Nationalrat ein Bundesgesetz „über die Bekämpfung unzüchtiger Veröffentlichungen und den Schutz der Jugend gegen sittliche Gefährdungen“. Den Hintergrund dazu lieferte der Versuch aller politischen Lager, wenngleich das christlich-konservative am aktivsten war, der Durchdringung der österreichischen Gesellschaft mit vergleichsweise jungen Kulturmedien, allen voran dem Film, aber auch Comics oder Jazz-Musik einen gesetzlichen Riegel vorzuschieben.

Ganz offensichtlich hatten die damaligen Kulturpolitiker klare Vorstellungen über die kulturellen Ausdrucksformen, die die Stärke und Bedeutung Österreichs und seiner Bevölkerung ausmachen würden – und was nicht. Durchgesetzt werden sollte ein, in eine vermeintlich bessere Vergangenheit gerichteter Kulturbegriff, der sich politisch klar und deutlich von einer abweichenden, „minderwertigen“ Kultur abgrenzen ließe. Auch ganz ohne offizielle Losung von „Access to Culture“ wurde der Besuch von Museen, Bibliotheken, darüber hinaus von Einrichtungen der etablierten bildenden Kunst oder der klassische Musik propagiert. Vor allem Kinder und Jugendliche sollten von allem „Belastenden“ und „Hässlichen“, die mit den neuen kulturellen Ausdrucksformen transportiert werden, ferngehalten und – wie könnte es anders sein – dadurch zu Demokratie, Frieden und Humanismus erzogen werden.

Es ist heute kaum mehr nachvollziehbar, mit welcher Härte vor allem die neuen visuellen Medien bekämpft wurden, wenn hunderttausende Mitglieder der Katholischen Aktion sich gegen jegliche Filmveröffentlichung wandten und Comics als Quelle allgemeinen Analphabetentums gebrandmarkt wurden: „Sie schaffen eine Atmosphäre der Grausamkeit und des Abwegigen. Sie vermitteln verbrecherische oder sexuell abnorme Ideen. Sie schwächen die natürlichen Kräfte, ein gesundes und anständiges Leben zu führen“, so der erste Leiter des „Buchklubs der Jugend“ und Hauptinitiator des Schmutz-und-Schund-Gesetzes Richard Bamberger.

Niemand glaubt heute mehr, dass „in weniger als hundert Jahren der letzte Neger (…) und Polareskimo seine analphabetische Unschuld verliert und Comics liest, während in den zivilisierten Ländern von Tausend nicht einer mehr lesen kann“ (Stefan Andres zitiert von Bamberger). Also könnten wir das Thema abhaken und uns damit begnügen, mit welcher Nonchalance sich damals der oberste Hüter des guten Buches einer politisch inkorrekten Sprache bedienen konnte, ohne – wie heute – mit Forderungen konfrontiert zu werden, die von ihm empfohlenen „guten“ Bücher gefälligst politisch korrekt umzuschreiben.

Wirkt das Gesetz bis heute?

Warum ich zögere liegt an dem Umstand, dass – bei aller Pluralisierung der kulturellen Ausdrucksformen, die mittlerweile auch Österreich erreicht haben – zumindest zwei zentrale Elemente der damaligen kulturpolitischen Kontroverse bis heute in Kraft zu sein scheinen: Zum einen ist da die ungebrochene Ideologie, der Besuch von „Kulturstätten“ hätte per se positive Auswirkungen – nicht nur auf den Besucher selbst, sondern gleich auf die ganze Gesellschaft. Offenbar ist da nichts übriggeblieben von den  kritischen kulturpolitischen Analysen vor allem der 1970er Jahre, wonach  diese Einrichtungen in erster Linie eine kulturelle Hegemonie einer kleinen Gruppe repräsentieren würde, um sich damit von der Mehrheit abzugrenzen. Sie haben selbst im linken Lager auf dem Marsch durch die Institutionen trotz all der damals ausgestoßenen Drohrufe  wie dem von Pierre Boulez „Schlachter die heiligen Kühe!“ keine nachhaltige Wirkung entfaltet.

Die nachhaltige Diskriminierung der „neuen Künste“

Und da ist zum anderen der Befund, dass just diejenigen Einrichtungen, die 1950 gegen jeglichen kulturellen Modernisierungsprozess in Stellung gebracht worden sind, bis heute zu den großen Nutznießern staatlicher kulturpolitischer Priorisierung zählen. Als ob nichts geschehen wäre, geht an sie ungebrochen das Gros öffentlicher Kulturförderung, während diejenigen Kunstformen, die damals ausschließlich unter dem Aspekt der Jugendgefährdung verhandelt wurden, bis heute von Brosamen öffentlicher Berücksichtigung leben müssen. Weitgehend auf einen kommerziellen Markt verwiesen, stellt sich für ihre ExponentInnen gar nicht die Frage, ob es gelingt, „Access to Culture“ zu geben; sie sind schlicht existentiell darauf angewiesen, auf interessierte NutzerInnen zu treffen (die es im übrigen ziemlich seltsam finden würden, mit der Inanspruchnahme des jeweiligen Angebots der zunehmenden Demokratieverdrossenheit Abhilfe schaffen zu sollen).

Die Gegenüberstellung „Kampf gegen Schmutz und Schund“ da und „Access to Culture“ dort verweist einerseits auf den Umstand, wie nachhaltig kulturpolitische Wirkungen sein können und andererseits, dass „Promoting Access to Culture“ möglicherweise auf bestehenden kulturpolitischen Strukturen aufsitzt, als wir es fürs Erste wahrhaben wollen. Zu vermuten ist, dass sich neue Möglichkeiten des Zugangs zu dem, was staatlicherseits unter Kultur verstanden werden will, erst dann ergeben, wenn erstens öffentliche Kulturpolitik den ehedem diskriminierten Kunstformen einen auch materiell gleichwertigen Stellenwert einräumt und wenn sie zweitens das kulturelle Selbstverständnis der Menschen, denen „Access to Culture“ gewährt werden soll, nicht weiterhin als irgendwie defizitär und unzulänglich, sondern als solches ins Zentrum kulturpolitischen Handelns rückt.

Ob sich daraus schon ein Szenario des Übergangs von kulturpolitischem „government“ zu „governance“ entwickeln lässt, sei dahingestellt. Ein Versuch, einem überkommenen Kulturpessimismus entgegenzuwirken, der sich heute vor dem Hintergrund der massenhaften Nutzung von Computerspielen durch junge Menschen derselben Sprache bedient wie gegenüber dem Filmschaffen der 1950er Jahre, wäre es allemal.

Über die alte Wissenschaftsfeindlichkeit in Österreich und die neue Lustigkeit der Wissenschaftsvermittlung

Seit einiger Zeit macht das österreichische Wissenschafts-Kabarett „Science Busters“ – nach eigenen Angaben die „uneingeschränkt schärfste Science Boy-Group der Milchstrasse“ – von sich reden. Die drei Herren Puntigam, Oberhummer und Gruber füllen mit ihren Wissenschaftsvermittlungsprogrammen das Rabenhof-Theater in Wien und werden als mediale Experten gehypt, sei es ihren Senf abzugeben, wenn Felix Baumgartner seinen Stratosphären-Sprung für red bull vermarktet (siehe YouTube) oder Menschen in der Kälte des Winters (siehe YouTube) zu erfrieren drohen.

Unter dem Motto: „Wer nichts weiß, muss alles glauben“ geht es lustig zu, wenn alle möglichen Formen eines überkommenen religiösen Wunderglaubens mit unmittelbar einleuchtenden Experimenten ad absurdum geführt werden (siehe YouTube). Stutzig bin ich geworden, als einem der drei „Busters“, Werner Gruber, im Verlauf eines Radio-Interviews im Cafe-Sonntag kein Klischee zu blöd war, sein Metier der technisch geleiteten Naturwissenschaften gegen sozial- und kulturwissenschaftliche Wissensproduktion auszuspielen. Seither kann ich der Frage nicht mehr entkommen, ob dieser Versuch, mit (klein-)künstlerischen Mitteln ein sich Schenkel klopfend artikulierendes Interesse einer breiten Bevölkerung für naturwissenschaftliche Fragen zu wecken, nicht gleichzeitig eine, von schillernden physikalischen Versuchsanordnungen unbeeindruckbare Wissenschaftsfeindlichkeit bedient, die tiefer geht als das Unwissen darüber, dass eine bestimmte Menge an flüssigem Stickstoff ein geringeres Volumen einnimmt als dieselbe im gasförmigen Zustand (und diese Erkenntnis für die Konstruktion eines Geschoßes zu nutzen, mit dem man lustig aufeinander losgehen kann).

Wissenschaft und Kunst auf einem gemeinsamen Weg

Dass Wissensvermittlung im Bereich der Physik nicht nur auf „hardcore“ Basis funktioniert, beweisen in diesen Tagen Anton Zeilinger und sein Team. Sie waren von der Leiterin der documenta 13 Carolyn Christov-Bakargiev im Sommer letzten Jahres eingeladen worden, „Dinge zu zeigen, die mit dem Verstand nicht zu fassen sind“. Zeilinger verglich seine Installation mit zweieiigen Zwillingen, die Quantenphysik und Kunst einander annähern lassen. Immerhin gäbe es eine grundlegende Gemeinsamkeit von Wissenschaft und Kunst, die darin bestehe, „dem Menschen einen Weg zu ebnen, sich der Wirklichkeit zu nähern“.

Zeilingers Experiment wird zurzeit in der Wiener Galerie Ulysses wiederholt. Ihr Leiter John Sailer führte den Gedanken des Physikers weiter, wenn er anlässlich der Eröffnung meinte, „die Unterschiede zwischen Maschinen und Kunst (wären) manchmal nur undeutlich erkennbar“ und belegte dies mit Beispielen aus der Antike, etwa dem Trojanischen Pferd, das für ihnen ebenso als Maschine als auch als ein Kunstwerk „funktioniert“ habe.

Während Zeilinger neue Formen der Interdisziplinarität zwischen Naturwissenschaft und Kunst erprobt, die ihre Entsprechung in der zunehmenden Komplexität von Welterfahrung finden, können sich die Programme der Science Busters auf pragmatischere Defizite beziehen. Sie bestehen schlicht in dem Umstand, dass sich immer weniger Menschen für technisch-naturwissenschaftliche Fragen interessieren.

Das zeigt sich auch und gerade im Rahmen eines schulischen Unterrichts, wenn immer weniger junge Menschen im Bereich der sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Information, Naturwissenschaften und Technik) für so attraktiv halten, dass sie sich in der Folge eine entsprechende Berufslaufbahn vorstellen können. Diese schulsystemische Schwäche hat zuletzt auch die Industriellen-Vereinigung (iv) auf den Plan gerufen, die um ihren gut ausgebildeten und motivierten Nachwuchs fürchtet. In einem ersten Schritt beauftragte sie den Klagenfurter Erziehungswissenschafter Konrad Krainer mit der Ausarbeitung neuer „Entwicklungslinien für einen innovativen MINT-Unterricht in Österreich“.

Naturwissenschaftliche Wissensvermittlung und ihr kultureller Kontext

Auf faszinierende Weise kommt er zu ganz ähnlichen Schlussfolgerungen wie Anton Zeilinger, wenn er empfiehlt, den technisch-naturwissenschaftlichen Unterricht „kulturell anzureichern“, um auf diese Weise die Vermittlung des spezifischen Fachwissens mit der kulturell geprägten Welterfahrung der SchülerInnen in ein stimulierendes Interesse und Neugierde stiftendes Verhältnis zu setzen.

Ganz offensichtlich setzt auch Krainer auf eine lange, vergessene Tradition der Gemeinsamkeiten von Wissenschaft und Kunst, die ursprünglich im Begriff des „ingeniums“ repräsentiert war (um im Laufe der wachsenden Arbeitsteilung und damit verbundenen Abgrenzungsbedürfnissen der Moderne sukzessive abhanden zu kommen), wenn er in seiner Präsentation einer neuen Unterrichts auf ein handlungsleitendes Zitat von Albert Einstein verweist: „Das schönste Erlebnis ist die Begegnung mit dem Geheimnisvollen. Sie ist der Ursprung der wahren Kunst und Wissenschaft. Wer nie diese Erfahrung gemacht hat, wer keiner Begeisterung fähig ist und nicht starr vor Staunen dastehen kann, ist so gut wie tot: Seine Augen sind geschlossen“.

Im Gegensatz zu den Dominanzphantasien der Science Busters, die noch einmal eine Dominanz technisch-naturwissenschaftlichen Denkens herbeilachen machen wollen, äußert sich anhand der Versuche von Zeilinger und Krainer ein Neuverständnis des Zusammenwirkens verschiedener, „harter“ ebenso wie „weicher“  Wissenschaftsdisziplinen, die zusammen mit Kunst Welterfahrung reicher und umfassender machen kann, als jede für sich allein.

Diesen Bemühungen im Wege steht freilich ein nachhaltiger Verlust der  Einflussnahme der Kultur- und Sozialwissenschaften auf die Interpretation der gesellschaftlichen Zustände und damit auf die gesellschaftlichen Machtverhältnisse, die nicht erst mit dem Aufkommen der aktuellen Krisenerscheinungen von einem „ökonomisch-naturwissenschaftlich-technologischen Komplex“ dominiert werden.

Nicht nur vom früheren Finanzminister Karl-Heinz Grasser lustvoll als „Orchideenfächer“ abqualifiziert sind sie in den letzten Jahren auf Grund sinkender öffentlicher Finanzierung unter besonderen Druck geraten, umso mehr, als sich Politiker eher erhoffen, sich mit technisch-naturwissenschaftlichen Erkenntnissen zu profilieren als mit solchen aus den Kultur- und Sozialwissenschaften.

Kultur- und Sozialwissenschaften als Technologiezentren der Welt

Welcher eingeschränkten Sichtweise das entspricht, hat bereits 2004 der deutsche Soziologe Armin Nassehi in der Wochenzeitung „Die Zeit“ ausgeführt, an dessen Ausführungen mit dem Titel „Wasser auf dem Mars, Leben auf der Erde“ ich hier mit einem längeren Zitat erinnern möchte. Immerhin sind nach ihm die Kultur- und Sozialwissenschaften die eigentlichen Technologiezentren der modernen Welt: „Sie produzieren nichts Geringeres als jene Denk- und Erfahrungschiffren, mit denen wir uns in unserer Welt bewegen. Gäbe es die Idee des selbstverantwortlichen, leistungsstarken und mit sich identischen, zugleich aber revisionsfähigen Subjekts ohne seine kulturwissenschaftliche Erfindung? Gäbe es den heroischen Manager ohne das Heldensubjekt? Gäbe es Deutschland ohne die Philologie und die historischen Wissenschaften? Und was wären der Nationalstaat und die Demokratie ohne ihre sozialwissenschaftliche Legitimation? Haben wir nicht sogar Modernität als grundlegende gesellschaftliche Selbstbeschreibung erfunden, kollektive Moralen ebenso wie den Gegensatz von Individuum und Gesellschaft, die Adressierbarkeit politischer Kollektive ebenso wie die Muster, uns als solche ansprechbar zu machen?

Sind nicht jene kollektiven Adressaten, an die uns zu wenden wir gewohnt sind, kategoriale Erfindungen sowohl der historischen Kulturwissenschaften wie der systematischen Sozialwissenschaften? Könnten wir wirklich als Individuen „handeln“, würden wir nicht mit jener Idee versorgt, dass alles, was im sozialen Raum geschieht, auf die Intention von Akteuren zurückgeht? Hat man je soziale Klassen gesehen, ohne dass man zuvor wissenschaftlich definiert hätte, welche Klassenmerkmale wie klassifizieren? Gäbe es Bildung und Ausbildung ohne die Erfindung der menschlichen Bildsamkeit? Gäbe es Völker ohne den Volksgeist und diesen ohne seine Reflexion in kulturwissenschaftlichen Begriffen; und gäbe es ihre Dekonstruktion zu Verfassungspatriotismen oder wiederentdeckten Kosmopolitismen ohne die technologische Arbeit unserer Weltdeuter?

Was wüsste die Politik und was die Wirtschaft (und wohl auch der Kulturbetrieb – Anm. MW) von ihrem Publikum, hätten die Sozialwissenschaften nicht die Kategorien für Milieu, Meinungs- und Konsumstile erfunden, die ohne diese Kategorisierungen gar nichts von sich wüssten? Ist nicht selbst ein zünftiger Krieg gegen vorderasiatische Völker nur möglich, wenn man vorher den „Orient“ erfunden hat? Und reagiert dieser „Orient“ nicht erst, als sei er einer, seit man ihn so sehen kann? Ist nicht das Beobachtungsschema „Kultur“ selbst das erfolgreichste Technologikum, das in den letzten zwei Jahrhunderten produziert wurde? Kann es sich nicht gar mit der Kernspaltung messen, oder ist es nicht wenigstens mindestens so wirkmächtig wie das Klonen?“

Politik und die Angst vor evidence

Leider hat sich diese Interpretation auch zehn Jahre später dort, wo kultur- und sozialwissenschaftliche Wissensproduktion beauftragt und diesbezügliche Resultate in die politische Entscheidung einfließen (oder eben nicht) noch lange nicht durchgesprochen. Vieles deutet eher darauf hin, dass seither eine Reihe weiterer Rückschritte zu verzeichnen sind, etwa wenn 2010 – quasi über Nacht und ohne jede Evaluierung der erbrachten Leistungen – seitens des österreichischen Wissenschaftsministeriums die außeruniversitäre Forschung einem drastischen Kahlschlag unterzogen wurde, eine Maßnahme, die in erster Linie kultur- und sozialwissenschaftliche Forschungseinrichtungen betraf.

Anders als ursprünglich erhofft, entwickelte sich auch das Versprechen auf mehr „evidence based policy“ im Bereich der Bildungs- und Kulturpolitik. Was wir zurzeit erleben ist stattdessen eine sinkende Bereitschaft, handlungsleitende Daten erheben zu lassen, geschweige denn, diese in strategische Überlegungen einfließen zu lassen.

Dazu kommt die Weigerung, die wenigen beauftragten Analysen zu veröffentlichen und damit einen breiteren Fachdiskurs zu ermöglichen. Als ein  Beispiel mag die „Kulturstatistik Austria“ dienen, die trotz der langjährigen Bemühungen vor allem des Instituts für kulturelles Management und Kulturwissenschaft (IKM) nach wie vor ein Schattendasein fristet, wodurch die von ihr aufbereiteten Daten einen nur sehr bescheidenen Einfluss auf kulturpolitische Entscheidungen haben.

Es gilt also umzugehen mit einer fundamentalen Dichotomie der österreichischen Gesellschaft, die auf eine lange Zeit der Wissenschaftsfeindlichkeit (Stichwort: „Zur Vertreibung des Geistigen aus Österreich“), die die auf das politische Überleben angewiesene EntscheidungsträgerInnen mit neuen kultur- und sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen nur ungern irritieren will und der aktuellen Euphorie rund um die neue Lustigkeit von (natur-)wissenschaftlicher Wissensvermittlung á la Science Busters.

Der Papa wird’s schon richten – Wird’s der Papa wirklich richten?

Stronachs Werte versprechen Wahrheit, Fairness und auch Transparenz. Seine bisherige Performance und die seiner MitstreiterInnen lassen nicht erwarten, dass deren konkrete Umsetzungsversuche eine neue Hausse im Bereich der Kultur- und Sozialwissenschaften (und damit verbundener Rationalisierung von Politik) auszulösen vermögen.

Das weiß auch die noch am Ruder befindliche Kulturverwaltung. Sie setzt auf Bewährtes und hat den Science Busters den Preis der Wiener Volksbildung verliehen. Dazu wurde der Wahl-Kabarettist Werner Gruber mit experimentalphysikalischen Hintergrund zum neuen Leiter der astronomischen Einrichtungen der Volkshochschulen (VHS) Wien – Planetarium Wien, der Kuffner Sternwarte sowie der Urania Sternwarte gemacht. Für Heiterkeit im Wissenschaftsbetrieb ist also bis auf Weiteres gesorgt!

Access to Culture

Kurzbeschreibung

Der Zugang zu Kunst und Kultur wurde zu einem der Leitthemen im kulturpolitischen Diskurs auf europäischer und nationaler Ebene. So berichtet die zivilgesellschaftliche Plattform Access to Culture: „Access to Culture is an essential right of all citizens but becomes fundamental in the case of those with economic and social challenges […] However, there is a notable gap and a lack of political and public debate on and between principles and commitments, and everyday practices of fostering Access to Culture.“

Auch das neue Kulturprogramm der europäischen Kommission 2014-2020 fokussiert auf den Aspekt „Access to Culture“ hinsichtlich der Entwicklung eines langfristigen Publikums für europäische Kulturgüter. Hierbei stellt sich jedoch die Frage, in welcher Weise die Prioritätensetzung auf europäischer Ebene die nationalstaatliche Kulturpolitik beeinflussen kann.

Das Projekt „Access to Culture“, welches von EDUCULT initiiert und mit europäischen Partnern durchgeführt wird, widmet sich dem Spannungsfeld zwischen den sozialen Realitäten und den normativen Forderungen seitens der Politik sowie der Weiterentwicklung der europäischen kulturpolitischen Debatten. Ziel ist es den Austausch zwischen europäischer und nationaler Ebene zu befördern.

 

Methode

Leitfragen des Projekts sind:

  • Welche Bedeutung hat „Access to Culture“ bezüglich der Zielsetzungen und eingesetzten Instrumente?
  • Worin liegen die Unterschiede zwischen den Nationalstaaten?
  • Wie sind die nationalen Implementierungen mit der europäischen Prioritätensetzung verknüpft?
  • Welche Methoden und Indikatoren sind geeignet die Entwicklung von „Access to Culture“ zu evaluieren?

In Anwendung einer Politikfeldanalyse werden die Dimensionen von “Access to Culture” auf europäischer und nationaler Ebene untersucht, sowie geeignete Indikatoren entwickelt die den Fortschritt in dem Bereich für Experten und Politiker ersichtlich machen.

Um einen partizipativen Ansatz zu gewährleisten werden zu den Projekttreffen nationale Stakeholder geladen um den Austausch zwischen europäischer Ebene und nationalen Praktiken zu forcieren.

Arbeiten im Grenzbereich Selbstständig/Unselbstständig

Kurzbeschreibung

In vielen Wirtschaftsbereichen kommt es in den letzten Jahren zu einem rasanten Anstieg der als  Selbstständige oder Einpersonenunternehmen registrierten Personen. Vieles deutet darauf hin, dass sich unter dem Schlagwort „Neue Selbsständige“ Schein-Selbstständigkeit und prekäre Verhältnisse verbergen.

Bisherige Studien und Analysen beschäftigen sich jedoch nur mit Teilaspekten dieser Beschäftigungformen und greifen auf unterschiedliche Datenlagen zurück, die eine Vergleichbarkeit erschweren.

Das Projekt versucht eine strukturierte Bestandsaufnahme der Lage der Allein- und Scheinselbstständigen am österreichischen Arbeitsmarkt sowie eine Analyse der Datenlage über diese Beschäftigtengruppen vorzunehmen. Ziel ist es, anhand der vorhandenen Daten und Studien einen Überblick der Analysemöglichkeiten zu der Thematik zu erhalten, um weitere Forschungsschritte und Möglichkeiten der Datengenerierung zu diskutieren.

EDUCULT wird sich mit seiner Expertise und Erfahrungen zum Kulturbereich und zu KulturarbeiterInnen, insbesondere in der Kunst- und Kulturvermittlung, einbringen.

Methode

Das Projekt gliedert sich in vier Module und ist durch die Expertise der am Konsortium beteiligten Partnern gekennzeichnet:

  • Anhand eines Überblicks der vorhandenen Daten und Datenbanken sowie deren Verknüpfung wird aufgezeigt, welche Möglichkeiten zur Analyse in dem Bereich bestehen bzw. nicht bestehen. Das Modul wird geleitet von L&R Sozialforschung.
  • Wesentliche vorliegende Studien werden in Bezug Grenzbereich Selbstständigkeit/Unselbstständigkeit von FORBA analysiert und deren Ansätze, Methoden aufbereitet.
  • Die Erfahrungen der Partner und Ergebnisse aus den vorgelagerten Recherchen werden in einem Workshop, der von Joanneum Reseach organisiert und protokolliert wird, zusammengetragen. Insbesondere wird den Fragen nachgegangen, welche Aussagen aus dem bereits Bestehenden getroffen werden können und welche zukünftigen Forschungswege sich erschließen.
  • Zuletzt werden alle Ergebnisse in einem Endbericht zusammengefasst.