Über den Wert der Kunst
Auf welcher Grundlage sollen Künstler*innen bezahlt werden? In marktwirtschaftlich verfassten Gesellschaften wird die Antwort darauf lauten: Entsprechend dem Prinzip von Angebot und Nachfrage. Stellen Künstler*innen begehrte Produkte und Dienstleistungen her, dann werden sie dafür hohe Erlöse erzielen bzw. gut entlohnt werden. Stellen Sie aber Kunst her, die niemanden interessiert, dann wird es wohl auch mit den daraus lukrierbaren Einkommen nicht weit her sein.
Genau so funktionieren weite Teile des Kulturbetriebs. Seine Aufgabe erschöpft sich mittlerweile weitgehend darin, auf den Kunstmärkten zwischen Produktion und Konsumption zu vermitteln. Die Umsetzungsformen bewirken – entsprechend der Logik der Konkurrenzgesellschaft – die Schere zwischen einigen wenigen hochbezahlten, weil besonders nachgefragten Künstler*innen und dem großen Rest, der sich mit seiner künstlerischen Produktion irgendwie durchzuwurschteln versucht, immer weiter auseinander geht. Und breite Teile der Gesellschaft stimmen ihm dabei zu, die spätestens mit den aktuellen Krisenerscheinungen über (fast) alle Sektoren hinweg immer weniger Verständnis dafür aufbringen, warum es Künstler*innen anders gehen soll als jeder anderen Berufsgruppe, die sich auf den höchst ungleich organisierten Arbeitsmärkten behaupten muss.
Der Staat als Garant ausgewählter Kultureinrichtungen
Und doch lassen sich zumindest zwei Gründe festmachen, warum gerade im Kunstbereich der Markt nicht alles ist. Ganz pragmatisch gibt es in der österreichischen Bundesverfassung einen Auftrag an den Staat, eine Reihe von Kultureinrichtungen zur Wahrung des kulturellen Erbes zu betreiben, egal ob es dafür eine ausreichende Nachfrage gibt oder nicht. Ausgestattet mit einer solchen Bestandsgarantie wussten sich Bundestheater und Bundesmuseen die längste Zeit den Zwängen der Kulturmärkte enthoben; als nachgeordnete Dienststellen der Bundesverwaltung konnten sie im letzten Jahrhundert in einer Art Dornröschenschlaf vor sich dämmern hin, ohne jede erkennbare Absicht, mit ihren Aktivitäten über einen kleinen Kreis von Expert*innen hinauszuweisen. Die dort Beschäftigten genossen eine Art Beamtenstatus, der sie im Rahmen eines sakrosankten Gehaltsschemas den konjunkturellen Schwankungen des Arbeitsmarktes dauerhaft entzog und ihnen gesicherte Einkommensverhältnisse bescherte. Sie wussten sich damit in eklatantem Gegensatz zu all denen, die in privaten Kulturunternehmen tätig waren und als solche – oft nur minimal abgesichert – bis heute von den rasch wechselnden konjunkturellen Schwankungen der Konsument*innen-Interessen abhängig sind.
Dieses Privileg sollte sich mit der sukzessiven Überführung in die wirtschaftliche Selbstständigkeit seit den 2000er Jahren ändern. Auch staatliche Kultureinrichtungen sollten sich künftig stärker an den Marktverhältnissen orientieren und Besucher*innen-Kennzahlen sollten somit als zentrale Messgrößen über den Erfolg (und damit die Höhe des öffentlichen Engagements) Auskunft geben. Im selben Ausmaß begannen die Gehaltsverhältnisse auch in diesem Sektor auseinanderzudriften. Und schon bald standen einige wenige hochbezahlte Kulturmanager*innen, die für jährlich steigende Auslastungszahlen sorgen sollen, einem Personal vor, an dessen unterem Ende sich – vor allem im Vermittlungsbereich – immer mehr prekär Beschäftigte versammelten. Abgemildert wurde diese Entwicklung allenfalls durch einigermaßen starke Personalvertretungen. Aber allein der Umstand, dass die Verhandlungen zur Errichtung eines gemeinsamen Kollektivvertrags für die rund 2600 Mitarbeiter*innen der Bundesmuseen sich über Jahre erfolglos dahinzogen, verweist auf deren sinkenden Einfluss…
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Bild: Fair Pay Manifest ©IG Kultur
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