Andrea Mayer als neue Kunst- und Kulturstaatssekretärin
Seit Dienstag amtiert mit Andrea Mayer eine neue Staatssekretärin für Kunst und Kultur im Vizekanzleramt. Ihre Vorgängerin hatte nach nur wenigen Monaten mitten in einer existentiellen Krise des Kulturbetriebs das Handtuch geworfen. Zu massiv waren zuletzt die kritischen Stimmen geworden, die Lunacek jede Fähigkeit absprachen, sich in Zeiten der Epidemie wirksam für die Belange des Kulturbetriebs einzusetzen.
Wenn Lunacek ein hinreichender Stallgeruch abgesprochen wurde, so verfügt Mayer über eine Detailkenntnis der Szene und sie beherrscht die Logik der Kulturverwaltung aus dem ff. Dazu sei sie -so Bundespräsident Alexander van der Bellen bei ihrer Angelobung- der Kultur „mit heißem Herzen zugetan“. Groß war Aufatmen in der Szene, Künstler*innen verteilen in mannigfachen Vorschluss-Lorbeeren. Sie alle hoffen, nunmehr über eine versierte Gesprächs- und Verhandlungspartnerin in der Regierung zu verfügen, die mit leichter Hand ihre Probleme lösen wird.
Zur Zeit kann man nur spekulieren, welche konkreten kulturpolitischen Forderungen Mayer vor ihrer Ernennung erhoben hat und wie groß die Chancen sind, dass diese nach ihrer Bestellung vor seitens des auf den Staatsfinanzen sitzenden Koalitionspartners ÖVP auch erfüllt werden. Bis zur diesbezüglichen Klärung müssen wir uns mit einer kulturpolitischen Tradition abfinden, die sich nur zu gern in Personalisierung und Informalität erschöpft: So ist die geschwellte Brust, die die Kulturszene zur Zeit stolz vor sich herträgt, vor allem dem Umstand zu verdanken, dass es einigen ihrer Wortführer gelungen ist, Lunacek zum Rücktritt gezwungen zu haben. Dass die schwache Performance von Lunacek vielleicht auch ein Ausdruck wesentlich tiefer gehender Probleme im Spannungsfeld zwischen Politik, Verwaltung und Kulturbetrieb gewesen sein könnte, kann dabei nur zu leicht aus dem Blick geraten.
Die Fallen der Personalisierung
Seit vielen Jahren beherrscht das Spiel um Personen die österreichische Kulturpolitik. Und offensichtlich ist da wirklich einiges politisch schief gelaufen, wenn in der Person der ehemaligen Rektorin der Akademie der bildenden Künste Eva Blimlinger eine gut qualifizierte Kandidatin der Grünen vom Kooperationspartner ÖVP abgelehnt wurde. Zu dem elenden Spiel gehörte offenbar aber auch, dass sich die Kompromiss-Kandidatin Ulrike Lunacek nicht der gebotenen Wertschätzung ihrer Regierungs-Kolleg*innen sicher sein konnte. Während der als Minister für Kultur und Kunst primär zuständige Werner Kogler durch ein fast schon demonstratives Desinteresse auffiel, tat der Finanzminister (und in der letzten Regierung für Kunst und Kultur zuständige Minister) alles, um seiner Kollegin finanziell möglichst keinen Erfolg zu gönnen.
Lunacek war ursprünglich angetreten, die katastrophale soziale Situation vieler Künstler*innen zu verbessern. Aber schon wenige Tage nach ihrem Amtsantritt war sie mit dem völlig unerwarteten Ausbruch der Epidemie konfrontiert. Die daraus resultierenden Konsequenzen entzogen sich offenbar der Vorstellungskraft der kulturpolitischen Entscheidungsträger*innen. In Ermangelung jeglicher Notfall-Pläne zeigte sich der gesamte Kulturbetrieb völlig unvorbereitet und machte sich alsbald auf die Suche nach einer Schuldigen. Dafür bot sich Lunacek nach ihren wenigen hilflosen Äußerungen nachgerade an.
Die eigentliche narzistische Kränkung des Kulturbetriebs – so meine Vermutung – aber bestand nicht darin, dass ihm einmal mehr ein/e nur wenig in der Sache engagierter Kulturpolitiker/in vorgesetzt wurde (da konnte Lunacek auf eine vergleichsweise lange Liste von Vorgänger*innen verweisen). Die Verletzung bestand vor allem darin, dass die Künstler*innen plötzlich nicht mehr die einzigen waren, um die sich der Staat in besonderer Weise sorgen sollte. Vielmehr sahen sie sich von einem Tag zum anderen in einer beträchtlichen Konkurrenzsituation mit anderen Anspruchswerbern wie Bildung, Gesundheit, Pflege, Tourismus, Gastronomie, Sport, ja weiten Teilen der Wirtschaft, die mit ähnlich existentiellen Problemen zu kämpfen haben, dabei aber zum Teil wesentlich besser gerüstet waren im Gerangel um Kompensationsleistung, um den durch den staatlich verordneten Lockdown entstandenen Schaden zumindest in Grenzen zu halten. In dieser ungleichen Konkurrenzsituation zeigte sich von einem Tag zum anderen das volle Ausmaß der strukturellen Probleme des Sektors. Um die hatten die kulturpolitischen Entscheidungsträger*innen zumindest der letzten zwanzig Jahre einen weiten Bogen gemacht…..
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©Bild: flickr: “Angelobung von Staatssekretärin Andrea Mayer“/BMKÖS. CC BY-NC-SA.
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